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Ekel. Ikonografie des Ausgeschlossenen. - Fotostudio Essen

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FrAgmentIerung <strong>des</strong> Körpers<br />

Schmerz bereiten können; neben Watte, Blumen und einer Feder auch eine<br />

Pistole, eine Peitsche, verschiedene Messer, nägel, diverse nadeln, ein<br />

Hammer, eine Säge, eine Axt.<br />

„Was in den ersten drei Stunden noch relativ harmlos begann – die Zuschauer<br />

bewegten die Künstlerin hin und her und berührten sie an intimen<br />

Stellen -, artete bald in ein gefährliches und unkontrollierbares Spektakel<br />

aus. Man schnitt ihr die gesamte Kleidung mit Rasierklingen vom Leib, und<br />

in der vierten Stunde fügte man ihr mit denselben Klingen Schnittwunden<br />

zu, aus denen Blut gesaugt werden konnte. Als die Zuschauer merkten, daß<br />

die Frau sich nicht schützen würde und daß sie offensichtlich Gefahr lief,<br />

geschlagen und vergewaltigt zu werden, bildete sich eine Gruppe von Beschützern.<br />

Als einige Leute schließlich eine geladene Pistole in Abramovićs<br />

Hand und ihren Finger auf den Abzug legten, brach zwischen dieser Gruppe<br />

und den Beschützern der Künstlerin eine Schlägerei aus, während derer<br />

sie den rivalisierenden Fraktionen im Publikum völlig ausgeliefert war.“<br />

(Schimmel 1998: 99)<br />

Es deutete sich eingangs bereits an, dass es neben den tatsächlichen Verletzungen<br />

eines Chris Burden, einer Gina Pane und Marina Abramović zahlreiche<br />

Werke gibt, die zwischen Realität und Fiktion pendeln. Als Beispiele<br />

dienten die Fotodokumente von Penismalträtierungen der Wiener Aktionisten<br />

und die Interpretationen Drühls in Bezug auf Schwarzkoglers Biographie.<br />

Hier ist noch einmal anzuknüpfen:<br />

Um 1970 soll ein kanadischer Künstler mit dem namen John Fare existiert<br />

haben, der reale Verstümmelungsaktionen angeblich mittels Amputationsroboter<br />

durchgeführt hat. Im Laufe von zwei Jahren hätten in England<br />

sechs Aktionen stattgefunden, bei denen sich der Künstler mittels Roboter<br />

einzelne Körperteile amputiert haben soll. Bei der letzten Amputation sei<br />

der Kopf <strong>des</strong> Künstlers gefallen. Auch diesem Gerücht spürt Drühl umfassend<br />

nach. Der Autor kommt zu der Einsicht, dass es sich bei Fare wahrscheinlich<br />

um eine Kunstfigur und nicht um einen realen Künstler gehandelt<br />

hat. Zwar passe der Mythos seines Suizids sehr gut zum Geist der späten<br />

1960er und frühen 1970er Jahre, doch die Beschreibungen <strong>des</strong> Roboters<br />

würden bei weitem den Stand der damaligen Robotik übersteigen. Drühl<br />

führt weitere Argumente an, darunter eines der Wichtigsten: die nicht mehr<br />

nachzuvollziehende Beweislage (vgl. Drühl 2001[b]: 79-82).<br />

Es liegt wohl nicht zuletzt in solchen Mythen begründet, dass die selbstverletzende<br />

Aktionskunst bereits Mitte der 1970er Jahre immer weniger<br />

praktiziert wird. Die angeblichen Aktionssuizide Schwarzkoglers und Fares<br />

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