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Ekel. Ikonografie des Ausgeschlossenen. - Fotostudio Essen

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exKretIon<br />

physischen Leiden von Jesus im Verlauf der Kunstgeschichte immer ekel-<br />

hafter dargestellt werden, nicht zuletzt, um die Wahrhaftigkeit der Mensch-<br />

werdung <strong>des</strong> Gottessohnes zu veranschaulichen. Gerade weil Christus<br />

nach christlichem Glauben Mensch geworden ist, bluten und eitern seine<br />

Wunden, als er das Leid der Menschheit auf sich nimmt. Wie sich eben-<br />

falls zeigte, legt der Körper der Kunstgeschichte vielfach eine ideologische<br />

Lesart nach den Modellen von Degeneration und Verdrängung nahe. Als<br />

hygienischer und offizieller Fassadenkörper, der zwar blutet, aber nicht stinkt,<br />

nicht ißt, nicht ausscheidet, nicht kopuliert und nicht altert (vgl. Menninghaus 1999:<br />

144), werden Ausscheidungen und andere Körperflüssigkeiten – über Blut,<br />

Tränen und Eiter hinaus – negiert. Der Körper ist nur noch ein „expres-<br />

sives Zeichen“ (ebd.).<br />

II.6.1.1 Degeneration und Verdrängung<br />

Während sich die hoch entwickelte römische Kultur ebenso sehr am Bau<br />

der cloaca maxima, wie an der Schönheit der Proportionen eines Aquädukts<br />

zur Herleitung <strong>des</strong> Wassers zur Reinigung misst, wird Skatologisches in der<br />

Folgezeit massiv verdrängt. Jean Clair schlussfolgert insofern richtig, dass<br />

frühe Kunst nichts absondert, obwohl aus dem Dreck <strong>des</strong> Sterkoralen der<br />

Schatz unserer Kultur geboren worden sei (vgl. Clair 2004: 21 und 36).<br />

Urin wird in der frühen Kunstgeschichte allenfalls für die Herstellung be-<br />

stimmter Farben und für Bronzepatina verwendet.<br />

„Aus der Pisse von Kühen, die mit einem bestimmten Kraut gefüttert wor-<br />

den waren, wurde früher ein leuchten<strong>des</strong>, haltbares Pigment gewonnen.“<br />

(ebd. 31)<br />

In der Renaissance wird das Thema <strong>des</strong> Urinierens erstmals an Brunnen<br />

abgearbeitet und die Ausscheidungsflüssigkeit durch Wasser ersetzt (Abb.<br />

408, Brunnenzeichnung, Peter Flötner und Abb. 409, Brunnenbübchen, Peter<br />

Flötner zugesprochen, frühes 16. Jahrhundert). 118 Erst mit den beliebten<br />

Bacchanalien-Darstellungen <strong>des</strong> Barock 119 wird Urin in Gemälden themati-<br />

siert. Hier wird Dionysos bzw. Bacchus entweder als Knabe oder als Wein<br />

trinkender Mann wiedergegeben, bekränzt mit Wein- und Efeulaub (vgl.<br />

Hartmann o. J. [b]: www.beyars.com). nur in der Rolle <strong>des</strong> Kleinkinds wird<br />

er gelegentlich urinierend gezeigt. In einer Darstellung von Guido Reni<br />

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