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Ekel. Ikonografie des Ausgeschlossenen. - Fotostudio Essen

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Abb. 102 Abb. 103<br />

Rezipienten saugt den Tod regelrecht auf. Auch den Geruch, der in die<br />

Nase steigt, vergisst man nicht. Das Werk fordert zu einer Identifikation<br />

mit den Toten auf, zu einer unmittelbaren Gleichsetzung:<br />

„Die Toten werden im Besucher verlebendigt, der Besucher in den Toten<br />

sterblich.“ (Museum für Moderne Kunst Frankfurt/Main 2004: o. S.)<br />

Im Sinne <strong>des</strong> phänomenologischen <strong>Ekel</strong>s ist dieses Werk von besonderem<br />

Interesse, da es die <strong>Ekel</strong>empfindung nicht durch eine ‚figürliche’ Darstel-<br />

lung, sondern durch seine Materialität erzeugt (vgl. I.2.2.4).<br />

verwesender leIchnAm<br />

Aurel Kolnai weist bereits im ersten Drittel <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts darauf hin,<br />

dass der Geruchssinn der eigentliche Stammesort <strong>des</strong> <strong>Ekel</strong>s sei. Durch ihn<br />

werde der obere Digestivtrakt am unmittelbarsten affiziert, Brechreiz am<br />

meisten hervorgerufen, das Motiv der nähe am stärksten erfüllt (vgl. Kolnai<br />

1929: 137). Durch den Geruch würden auch Partikelchen <strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong><br />

(hier: der Toten) in das Subjekt (hier: den Rezipienten) hineingetragen. So<br />

sei bei dem Geruch auch der Geschmack immer mit inbegriffen, teils als<br />

Verschärfung, teils als Einengung (vgl. Kolnai 1929: 137). Teresa Margolles<br />

verwandelt in ihrer Installation ein Leichenschauhaus in das Laboratorium<br />

eines Kunstwerks, welches permanent die Grenzen <strong>des</strong> Anstands und der<br />

Kunst auszuloten versucht. Da das kondensierende Wasser bei dem Betreten<br />

<strong>des</strong> Raumes eingeatmet wird, nehmen Geruchs- und Geschmackssinn<br />

<strong>des</strong> Rezipienten bald Materie von Toten in sich auf, wenn auch nur verflüchtigt,<br />

vaporisiert. Durch das Werk treten die Toten quasi in intimen<br />

Kontakt mit dem Besucher der Installation, treten mit ihm in eine direkte<br />

Verbindung.<br />

Da die Leichen zum größten Teil sozialen Randgruppen angehörten, wird<br />

der Rezipient nicht nur mit Leichengeruch konfrontiert, indem das kondensierte<br />

Wasser der Leichenreinigung wie ein feiner Staub auf ihn niedergeht<br />

und in seine Poren einzieht. Durch das Einatmen nimmt er sogar Partikel<br />

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