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Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

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mann Wilhelm Oswald als Supercargo (Frachtoffizier) auf <strong>die</strong> Fahrt geschickt. Er ließ sich in<br />

Honululu an Land rudern, um <strong>die</strong> geplanten Einkäufe zu arrangieren. Dort machte er <strong>die</strong><br />

Bekanntschaft <strong>des</strong> amerikanischen „Konsuls und Agenten" John Coffin Jones jun., der ihm<br />

über <strong>die</strong> politischen Zusammenhänge, <strong>die</strong> zur Abreise <strong>des</strong> Königs nach England geführt hatten,<br />

„seine Hoffnung auf englischen Schutz und Stärkung angesichts der Subversion einiger Häuptlinge"<br />

18 Mitteilung machte. Aus anderen Quellen erfuhr Oswald, daß <strong>die</strong> Reise <strong>des</strong> Königs<br />

„durch Furcht vor einer russischen Invasion" motiviert worden war. Oswald spürte, daß auf<br />

Hawaii eine Zeit politischer Unruhe war. Für einen englischen Missionar und seine erkrankte<br />

Frau, der versuchte Honululu zu verlassen und dem vor drei Wochen <strong>die</strong> Erlaubnis verweigert<br />

worden war, mit dem König und seiner Reisegesellschaft auf der „L'Aigle" nach London zu<br />

segeln, fand sich auf der „Mentor" kein Platz.<br />

Auf der Weiterfahrt hatte <strong>die</strong> „Mentor" aus dem chinesischen Hafen Kanton vor allem Tee<br />

mitgenommen, von den anderen Stationen der Reise aber „auch einen schönen Vorrath von<br />

Naturseltenheiten und Kunstgegenständen aus den drei Weltteilen, <strong>die</strong> er besuchte, mitgebracht",<br />

wie <strong>die</strong> „Vossische Zeitung" vom 18. Oktober 1824 unter der Überschrift „Unser<br />

Chinafahrer" festhält. Zu einer Ausstellung in den Räumen <strong>des</strong> Seehandlungsgebäu<strong>des</strong> in der<br />

Jägerstraße am Gendarmenmarkt bemerkt <strong>die</strong> Zeitung weiter: „Auch <strong>für</strong> ein ethnographisches<br />

Museum, deren (!) Einrichtung wir noch immer entgegensehen, ist so manches Merkwürdige<br />

mitgekommen ... Zeug aus Baumrinde von den Sandwich-Inseln... Und damit dem künftigen<br />

Museum der Aufseher nicht fehlt, ist auch ein Freiwilliger von den Sandwich-Inseln mit<br />

eingetroffen. Henry, so wird er gerufen, oder vielmehr: so nennt er sich, kam als der Mentor<br />

dort anlegte, an Bord, und bat flehentlich, daß man ihn mitnehmen möchte. Man erkundigte<br />

sich nach seinen Familien-Verhältnissen, er hatte weder Vater noch Mutter, noch sonst<br />

jemanden, der Ansprüche an ihn machte; so ging er mit nach China, und hat sich nun schon<br />

ganz an <strong>die</strong> Europäische Lebensweise gewöhnt. Henry mag ungefähr 15 bis 18 Jahr alt sein, <strong>die</strong><br />

Menschenrace, von der er stammt, gehört nicht zu den Negern, steht ihnen jedoch durch <strong>die</strong><br />

schwärzliche Hautfarbe u. etwas platte Nase ziemlich nah, unterscheidet sich jedoch durch<br />

wohlgebildete Lippen und glattes, langwachsen<strong>des</strong>, weiches Haar; sein Teint scheint etwas<br />

brouillirt, am Arm und im Gesicht ist er tattowiert. Er ist sehr gelehrig, freundlich, munter,<br />

arbeitssam. Deutsche Worte spricht er geläufig nach, wenn sie nicht zu viel Consonanten<br />

haben, besonders scheint ihm das r ganz zu fehlen. Wenn er zum Singen eingeladen wird, ziert<br />

er sich fast eben so sehr, wie unsere jungen Damen, und hat auch <strong>die</strong> andere böse Gewohnheit,<br />

daß man ihn, wenn er erst angefangen hat zu singen, gute Worte geben muß, ehe er aufhört.<br />

Beim Singen setzt er sich auf einen Stuhl, u. macht mit seinen Händen lebhafte Bewegungen,<br />

wobei es mir bemerkenswerth schien, daß er mit der rechten Hand sich oft an das Herz schlug,<br />

während er mit der Linken <strong>die</strong> rechte Seite nie berührte. Sein Gesang beschränkte sich auf vier<br />

bis fünf Töne, und <strong>die</strong> Worte schienen vornehmlich aus den Lauten ae, i, und o zu bestehen,<br />

seine Stimme hat nichts Schnarren<strong>des</strong>, man könnte sie eine angenehme Tenorstimme nennen,<br />

doch machte der Vortrag <strong>des</strong> Gesanges mit <strong>die</strong>sen sonderbaren Bewegungen ganz den Eindruck,<br />

als ob man einen Irren sah. - Eine ganz besondere Freude äußerte der Insulaner über<br />

einen Herrn von ziemlich starken Embonpoint, er lief auf ihn zu und umfaßte ihn mehrmals, so<br />

daß man wirklich besorgt war, es möchte sich der jenen Insulanern eigenthümliche Appetit, der<br />

einst Cook das Leben kostete, bei dem jungen Freiwilligen zu regen anfangen." 19 Man darf sich<br />

das zeitgenössische Berliner Ausstellungspublikum allerdings auch nicht allzu zartfühlend<br />

vorstellen. 20<br />

In den hawaiischen Quellen gibt es keinerlei Erwähnung <strong>die</strong>ses jungen Mannes. Vielleicht<br />

gehörte er zu denen, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Ereignisse bei der Abreise seines Königs nach Honululu<br />

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