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Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

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<strong>für</strong>stlichen Familie, Dr. Berg, der zugleich Chefarzt <strong>des</strong> Lazaretts war, das <strong>die</strong> Fürstin von<br />

Donnersmarck in Frohnau seit 1914 führte, ferner <strong>des</strong> Ministers <strong>des</strong> Königlichen Hauses, den<br />

der Kaiser <strong>für</strong> den Plan gewonnen hatte.<br />

Dem Nacherlebenden erscheint es erstaunlich vorausschauend, wenn Professor von Schjerning<br />

darauf hinweist, welche unerträglichen wirtschaftlichen Lasten dem Deutschen Reiche nach<br />

Kriegsende durch <strong>die</strong> soziale und medizinische Versorgung der Kriegsbeschädigten erwachsen<br />

würden. Es geht <strong>die</strong>sem hohen Militär, der in erster Linie Arzt ist, um <strong>die</strong> Herabminderung der<br />

gesetzlichen Versorgungsbezüge, <strong>die</strong> nicht in allen Fällen gesetzlich erworben sind, sondern<br />

vielfach juristisch unabgesichert. Es wird also auch derer gedacht, <strong>die</strong> später im sozialen<br />

Niemandsland leben und dann eine moralische und politische Last <strong>für</strong> den Staat darstellen<br />

müssen, wie es tatsächlich ja auch geschehen sollte. Aber <strong>die</strong>s wird gleichsam nur im Seitenlicht<br />

beleuchtet; grundsätzlich geht es um <strong>die</strong> Kriegsopfer schlechthin, deren Dimension schon jetzt<br />

klar erkannt wird in der Formulierung: „ ... bei Größe und Ausdehnung <strong>des</strong> Krieges." - Der<br />

Heutige schaudert, wenn er bedenkt, daß <strong>die</strong> schrecklichsten menschlichen Verluste durch <strong>die</strong><br />

Materialschlachten vom Sommer und Herbst 1916 erst noch bevorstehen; noch ist Verdun nicht<br />

das schreckenerregende Symbol.<br />

Die Denkschrift möchte <strong>die</strong> zu errichtende Militärheilanstalt in der Tradition <strong>des</strong> alten<br />

friderizianischen Invalidenhauses „Laeso et invicto militi" fortgeführt sehen, jedoch abgestellt<br />

auf <strong>die</strong> neuartigen medizinischen Indikationen.<br />

Es bringt der Generalstabsarzt auch <strong>die</strong> Erfahrungen der bisherigen „Militärkuranstalten" -<br />

z. B. Wildbad und Königstein im Taunus - ein, und hier fällt das Wort <strong>für</strong> <strong>die</strong> beabsichtigte<br />

Institution zum erstenmal, bei der „Offizier und Mann sich am sichersten geborgen fühlen", wie<br />

er sagt; also „kein Invalidenhaus zum dauernden Verbleib, sondern eine Leib und Seele <strong>des</strong><br />

Kranken berücksichtigende neuzeitliche Heilanstalt zu zeitweiligem Kurgebrauch und<br />

ambulatorischer Behandlung". Man glaubt Virchows sozialliberale Einstellung herauszuhören<br />

- aus dem kaiserlichen Hauptquartier!<br />

Daß nun ein klarer Abriß von der zu schaffenden Heilanstalt vorgelegt wird, <strong>die</strong> ganz dem<br />

Geiste Kaiser Wilhelms IL verpflichtet sein und seinen Namen tragen soll, deutet daraufhin,<br />

daß zwischen dem Fürsten, dem Generalstabsarzt, dem <strong>für</strong>stlichen Leibarzt und Lazarettchef<br />

Dr. Berg sowie dem Kaiser Fühlungnahmen stattgefunden haben. Die Denkschrift setzt <strong>die</strong><br />

Donnersmarcksche Schenkung unausgesprochen voraus, worauf <strong>die</strong> Formulierung „...in<br />

stiller, anmutiger Lage in der Nähe <strong>Berlins</strong>" deutet; dem hohen Militär ist <strong>die</strong>se „anmutige<br />

Lage" von Frohnau als Hofjagdrevier ja bekannt.<br />

Alle Argumente erscheinen selbst dem Heutigen noch großherzig-sozial und außerdem praktisch<br />

- wie z.B. der Hinweis, daß auch im Kriegsapparat tätige Offiziere (Generalstab,<br />

Kriegsministerium) dort ambulatorisch behandelt werden könnten (man denkt an etwa 800<br />

Fälle) und daß man <strong>die</strong> Anstalt in Friedenszeiten als Garnisonslazarett statt <strong>des</strong> alten in<br />

Tempelhof weiterverwenden könne.<br />

Man hat bei der stationären Kapazität an 100 Offiziere und 200 Unteroffiziere und Mannschaften<br />

gedacht, <strong>die</strong> mit allen damals modernen Kurmitteln behandelt werden sollten. Die Bau- und<br />

Ausstattungskosten werden auf 5 Millionen veranschlagt und mit Personal, Kurdauer und<br />

Leistungsvolumen genau beziffert.<br />

Es ist auch beachtenswert, daß gerade der Chef <strong>des</strong> Feldsanitätswesens <strong>die</strong> häufigsten, dringlichen<br />

und damals neuen medizinischen Indikationen erwähnt, wie „kieferchirurgische Verletzungen,<br />

Versteifungen, Verkrümmungen von Gliedmaßen, Fehlen ganzer Glieder und periphere<br />

Lähmungen". Es sind Verstümmelungen, <strong>die</strong> vor allem der Stellungskrieg in den Materialschlachten<br />

mit sich gebracht hat und <strong>die</strong> ein Umdenken erfordern. Die Formulierung „Es<br />

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