29.01.2013 Aufrufe

Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

erichtet Kullrich in einem erhalten gebliebenen Tagebuch. Er hält darin sehr anschaulich <strong>die</strong><br />

Umstände fest, unter denen damals ein Handwerksbursche eine Wanderschaft durchführte.<br />

Seinen Lebensunterhalt ver<strong>die</strong>nte sich der junge Mann durch Hufbeschlag und Schmiedearbeiten.<br />

In München z. B. arbeitete er in der Holzerischen Wagenfabrik, <strong>die</strong> zu <strong>die</strong>ser Zeit <strong>die</strong><br />

Eisenbahnwagen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Augsburg-Münchner Eisenbahn baute. Ein großes Erlebnis <strong>für</strong> ihn<br />

waren gelegentliche Fahrten mit der Bahn, so auch <strong>die</strong> von Fürth nach Nürnberg, wo<strong>für</strong> er<br />

sechs Kreuzer zahlte. Wilhelm Kullrich war ein aufgeweckter und fröhlicher junger Mann. Die<br />

lückenlose Aufzählung der Münchner Bierbrauereien und <strong>die</strong> begeisterte Schilderung <strong>des</strong> Balls<br />

der Münchner Schmiedegesellen in der Fastnacht im großen Rosengarten sind ein Beweis<br />

da<strong>für</strong>. Sein flott geschriebenes Tagebuch schmückt er mit hübschen Landschaftsskizzen,<br />

heraldischen Zeichnungen und Darstellungen von allerlei Wagentypen. Von der langen, meist<br />

zu Fuß zurückgelegten Wanderschaft heimgekehrt, arbeitete er zunächst in der Werkstatt<br />

seines Vaters und half mit, <strong>die</strong> zehn Kinder zählende Familie zu ernähren, bis er zum Militär<br />

einrücken mußte. In <strong>die</strong>ser Zeit begann er mit den ersten Graveurarbeiten. Dem Wunsch <strong>des</strong><br />

Vaters folgend, ging Kullrich anschließend nach Berlin, um hier ein tierärztliches Studium<br />

aufzunehmen. Bald muß er aber sein eigentliches Talent erkannt haben, denn er gab das<br />

Studium und auch den Schmiedeberuf auf, ging von 1845 bis 1847 als Graveur in <strong>die</strong> Lehre <strong>des</strong><br />

Medailleurs und Elfenbeinschneiders Johann Karl Fischer (1802-1865) und besuchte danach<br />

auf Empfehlung von Fischer bis 1850 <strong>die</strong> von Johann Gottfried Schadow geleitete Akademie<br />

der Künste zu Berlin, an der er zum Bildhauer und Graveur ausgebildet wurde. Karl Fischer<br />

war auch hier sein Lehrer. Einfluß auf <strong>die</strong> Entwicklung <strong>des</strong> jungen Kullrich hatte auch sein<br />

Freund, der Schriftsteller Albert Emil Brachvogel (1824-1878), selbst als Graveur ausgebildet<br />

und 1846 ebenfalls ein Schüler von Karl Fischer. Brachvogel gehörte dem Berliner Handwerkerverein<br />

an, und wir können annehmen, daß auch Kullrich dort Mitglied war. An der Revolution<br />

von 1848 nahm der junge Kullrich großen Anteil. Im Dahmer Wochenblatt steht unter dem<br />

6. Juli 1848 eine von ihm unterzeichnete Ode, worin es u. a. heißt: „... Der Gefallenen Schatten<br />

steigen auf, umringen mich... dreihundert Seelen stehn vor meinem Auge, blutbefleckt... Ich<br />

gelobte, immerdar zu kämpfen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Geistesfreiheit ... ihr sei stets mein Kopf und Herz<br />

geweiht...!" Es mag dahin gestellt bleiben, ob Kullrich tatsächlich der Verfasser <strong>die</strong>ser Ode ist<br />

oder ob vielleicht sein Freund Brachvogel <strong>die</strong> Feder geführt hat. Mutig war sein Bekenntnis <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Gefallenen der Revolution in jedem Fall. Noch einmal mußte Kullrich zu den Soldaten. Als<br />

preußische Truppen unter dem Befehl Friedrich Wilhelms, <strong>des</strong> Prinzen von Preußen, 1849<br />

mithalfen, den republikanischen Aufstand in Baden niederzuwerfen, war Kullrich dabei. Bei<br />

seiner Einstellung, wie sie aus der Ode von 1848 deutlich geworden ist, wird ihm der Waffengang<br />

nicht leicht gefallen sein. Auf <strong>die</strong>ses Ereignis fertigte Kullrich, noch Schüler an der<br />

Akademie, nach einer Zeichnung von Peter von Cornelius, 1849, seine zweite bekanntgewordene<br />

Medaille. Sie zeigt, zu welcher Meisterschaft es Kullrich in so kurzer Zeit bereits gebracht<br />

hatte.<br />

Die erste Medaille Kullrichs ist <strong>die</strong> auf G. Schadow. Sie wurde 1849 unter Leitung von<br />

Chr. D. Rauch in <strong>des</strong>sen Werkstatt modelliert. Kullrich hat aus Anlaß <strong>des</strong> To<strong>des</strong> von Schadow,<br />

1850, eine weitere Medaille auf <strong>die</strong>sen Künstler geprägt.<br />

In der Akademie der Künste wurde auch Christian Daniel Rauch auf den talentierten Künstler<br />

aufmerksam und ließ ihm wiederholt seine Förderung zuteil werden. Er veranlaßte ihn 1851,<br />

auf sein soeben fertiggestelltes Reiterdenkmal Friedrichs <strong>des</strong> Großen Unter den Linden eine<br />

Medaille anzufertigen. Der König Friedrich Wilhelm IV., sehr angetan von <strong>die</strong>ser Arbeit,<br />

kaufte <strong>die</strong> Stempel, um davon <strong>die</strong> zum Verschenken bei der Einweihungsfeier bestimmten<br />

Exemplare prägen zu lassen. Rauch selbst erhielt je eine Medaille in Gold, Silber und Bronze.<br />

36

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!