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Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

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nungen hatte er noch nie gehört. Der Kandidat versagte. 51 Dann wurde ihm ein Stapel<br />

handgekritzelter Benachrichtigungen und Anordnungen vorgelegt. Er sollte Adressen und<br />

unleserliche Unterschriften entziffern. Maitey hatte zwar im Erziehungshaus Schönschreiben<br />

gelernt, hatte aber bisher noch keine Gelegenheit gehabt, Buchstabenansammlungen von der<br />

Güte einer Ärztehandschrift zu enträtseln. Der Kandidat versagte auch hier vollständig.<br />

Nach Abschluß <strong>die</strong>ses Examens stellte Bußler fest, daß der Kandidat <strong>für</strong> <strong>die</strong> Hofstellung<br />

ungeeignet sei. Der stets eifrige Erziehungsinspektor Kopf versprach weitere Ausbildung seines<br />

Schülers. Bußler ging darauf nicht ein, sondern hatte eine ihm glänzend erscheinende Idee.<br />

Maitey war doch ein Insulaner, und so paßte er am besten auf eine Insel, und <strong>die</strong> königliche<br />

Pfaueninsel, in der Havel zwischen Potsdam und Berlin gelegen, brauchte gerade einen<br />

Fährmann. 52<br />

Vielleicht besteht Interesse zu wissen, wie Henry Harry oder Heinrich Wilhelm Maitey ausgesehen<br />

hat. Gottfried Schadow hat ihn einmal gezeichnet und dazu geschrieben: „Da derselbe<br />

unter uns geblieben, so zeigt der Augenschein einem Jeden, daß in <strong>des</strong>sen Gesichtszügen nichts<br />

Abweichen<strong>des</strong> von den unsrigen wahrzunehmen ist. Die breiten Wangenbeine finden sich auch<br />

bei uns, und, obgleich sein Schädel schmäler, wird <strong>die</strong>ser doch durch <strong>die</strong> starken und dicken<br />

Haare versteckt; was ihn einigermaßen unterscheidet ist <strong>die</strong> dunklere Hautfarbe. Zu einer<br />

feineren Geistesbildung fand er sich nicht geeignet." 53<br />

In Berlin hatte man festgestellt, daß der dunkle Mann aus der Südsee weder ein edler Wilder<br />

noch ein Menschenfresser war, sondern ein Mitmensch, allerdings eben auch kein Mann, der<br />

über ein unerschöpfliches Bildungsreservoir verfügt hätte. Maitey war inzwischen zu einem<br />

evangelischen preußischen Untertanen und kleinen königlichen Hofbeamten geworden.<br />

IV. Die langen Jahre auf der Pfaueninsel und in Klein-Glienicke<br />

Die Pfaueninsel 54 war so etwas wie ein preußisches Utopia. Ein schmaler Streifen Wasser, der<br />

mit einer Fähre überquert wird, trennt sie vom Festland. Auf dem Weg zum ruinenartigen<br />

Schlößchen liegen Walkieferknochen, <strong>die</strong> möglicherweise aus Maiteys hawaiischer Heimat<br />

stammen.<br />

1769 hatte der französische Entdeckungsreisende Louis Antoine de Bougainville aus Tahiti<br />

einen jugendlichen Eingeborenen namens Aotourou mit nach Paris gebracht. James Cook<br />

brachte 1775 von seiner zweiten Reise <strong>des</strong>sen Landsmann Omai nach London. Beide wurden in<br />

gelehrte und aristokratische Zirkel eingeführt und waren Mittelpunkt amüsierter Neugierde. 55<br />

Im Zusammenhang damit entstand in Europa eine Südseemode. Ein Ausdruck davon ist auch<br />

das otaheitische Kabinett im Pfaueninselschloß, das das Innere einer Südseehütte vortäuschen<br />

soll, wo man <strong>die</strong> Menschen in para<strong>die</strong>sischen Zuständen vermutete. 56 Auf der Pfaueninsel gab<br />

es auch ein Palmenhaus, das etwa zur Zeit, als Maitey dort ankam, von Carl Blechen gemalt<br />

worden ist. 57<br />

Maitey wurde dem Maschinenmeister Friedrich zugeteilt und empfing von ihm eine vielseitige<br />

handwerkliche Ausbildung. Dabei kam er auf der ganzen Insel herum: Von der Meierei im<br />

Norden bis zum Schloß im Süden. Er erledigte Holzschnitz-, Möbeltischler- und Schlosserarbeiten.<br />

Auf der Insel gab es <strong>für</strong> <strong>die</strong> Pumparbeiten <strong>des</strong> Bewässerungssystems eine der ersten<br />

Dampfmaschinen in Deutschland. Es muß <strong>für</strong> <strong>die</strong> preußische Hofgesellschaft ein ganz besonderes<br />

Vergnügen gewesen sein, <strong>die</strong>ses in England erfundene technische Wunderwerk von einem<br />

europäisch-elegant gekleideten Mann aus der Südsee be<strong>die</strong>nt zu sehen. An zwei bis drei Tagen<br />

in der Woche stand <strong>die</strong> Insel auch dem allgemeinen Publikum offen, das zunächst in Kremsern<br />

und dann mit der Eisenbahn in ziemlich großen Scharen zu Besuch kam. 58<br />

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