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Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

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natürlich gehaltene Teichlandschaft <strong>die</strong> Lebhaftigkeit <strong>des</strong> Straßenbil<strong>des</strong> durch versetzte Kreuzungen,<br />

reizvolle Durchblicke, schwingende Kurven und Niveaugefälle. Die geraden und kurvierten<br />

Häuserzeilen unter Sattel- und Walmdächern mit besonders betonten, oft anheimelnden<br />

Ecklösungen ziert expressionistisches Formengut in Giebeln, Erkern und den Farbakzenten<br />

von Fensterläden und -faschen (Abb. 3, 4, 5).<br />

Völlig gegensätzlich hierzu konzipieren Bruno Taut und Martin Wagner weitläufig den von<br />

ihnen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gehag bebauten Siedlungsteil. Als Zentrum umschließt hier eine in sich geschlossene<br />

Wohnanlage hufeisenförmig eine natürliche Bodensenke mit dem Teich als raumbildendem<br />

Innenhof. Das Hufeisen und <strong>die</strong> sich unmittelbar westlich anschließende rautenähnliche<br />

Anlage setzen sich als alte, aus dem Jugendstil stammende Formen deutlich gegen <strong>die</strong> Außenräume<br />

ab und offenbaren <strong>die</strong> künstlerische Heimat Martin Wagners, der <strong>für</strong> <strong>die</strong> Planung<br />

verantwortlich zeichnete. Die waagerecht gegliederten, langgestreckten und flach gedeckten<br />

Baukörper der Neuen Sachlichkeit erhalten in den Wohnstraßen manches Mal eine jeweils auf<br />

<strong>die</strong> einzelnen Blöcke abgestimmte ausgewogene Vertikaltendenz, zum Beispiel durch Treppenhausvorlagen.<br />

Mit Eckbetonungen, Versetzungen und Kurvierungen sind sie auf räumliche<br />

Wirkung angelegt und tragen oft den Charakter jeweils wechselnder eigenständiger Wohnhöfe.<br />

Ihre Farbigkeit kommt aus dem Expressionismus, <strong>des</strong>sen Berliner Haupt Bruno Taut einmal<br />

gewesen war. Dieser Farbigkeit wegen - Rot, Dunkelblau und Weiß - ist <strong>die</strong> Siedlung schon<br />

damals heftig kritisiert worden, und auch <strong>die</strong> Zentralanlage <strong>des</strong> Hufeisens fand nicht ungeteilte<br />

Zustimmung, weil sie <strong>die</strong> städtebauliche Einheit zerriß. Bei ihrer Erweiterung südlich der<br />

Parchimer und westlich der Fritz-Reuter-Allee in den Jahren 1930 und 1931 hat Bruno Taut<br />

dann <strong>die</strong>se „Fehler" vermieden. Hier zählen seine Schöpfungen zu den besten der Zeit.<br />

Utopische Ideen der ersten Zeit waren längst verweht, wenn auch der Traum vom Sozialismus<br />

noch nicht vorüber war. „Brücke" und „Blauer Reiter" hatten schon vor dem Krieg neue<br />

Entwicklungsmöglichkeiten der bildenden Kunst gezeigt. Jetzt ging man weiter. Durch <strong>die</strong><br />

Kunst <strong>die</strong> Welt zu verändern hieß das Ziel der hehren Schwärmerei. Sofort nach dem Krieg<br />

hatte eine Reihe junger Baumeister um Bruno Taut <strong>die</strong> ersten Denkanstöße zu einer lebensbezogenen<br />

Architektur vermittelt, der Kreis der „Gläsernen Kette", der sich zunächst gegenseitig in<br />

Rundbriefen über Ideen und Visionen informiert hatte und später <strong>die</strong>se in von der Novembergruppe<br />

überlassenen Räumen <strong>des</strong> Berliner Glaspalastes öffentlich zur Diskussion stellte. So<br />

war <strong>die</strong> Bevölkerung mit dem neuen Bauwollen vertraut geworden. Menschliches Maß bestimmte<br />

es. Deshalb wird man zwei, höchsten drei Geschosse in den Siedlungen antreffen,<br />

deren Baublöcke erst zum Ausgang der Zwanziger Jahre höher gezogen werden. Balkone oder<br />

Loggien und Veranden bilden nach Bruno Taut als „Außenwohnraum" wichtige Gestaltungselemente<br />

der Neuen Sachlichkeit.<br />

Für <strong>die</strong> Gehag planten <strong>die</strong> drei Architekten Bruno Taut, Hugo Häring und Otto Rudolf<br />

Salvisberg den ersten Siedlungsteil am U-Bahnhof Onkel Toms Hütte, der von 1926 bis 1928<br />

errichtet wurde. Auch hier verleugnet Bruno Taut nicht seine Herkunft aus dem Expressionismus.<br />

Kontrastreiche Farbgebung und unruhige Gliederung kennzeichnen seine Schöpfungen<br />

in der Riemeisterstraße und am Waldhüterpfad. Trotzdem bewahrten <strong>die</strong> Baumeister den<br />

einheitlichen Charakter der Siedlung, wenn <strong>die</strong> einzelnen Wohnblöcke auch ihre persönliche<br />

Handschrift tragen. Alle Einfamilienhäuser und <strong>die</strong> Erdgeschoßwohnungen der Mehrfamilienhäuser<br />

umgeben hier ebenfalls kleine Gärten. Die Kiefern- und Birkenbestände wurden<br />

weitgehend belassen und durch Bepflanzungen ergänzt. Die Randbebauung an den Straßen<br />

lockern Knickung, Schrägstellung oder Staffelung auf. Das Anliegen einer Waldsiedlung wird<br />

auch hier gewahrt.<br />

Mit der Anlage der „Weißen Stadt", der Großsiedlung Schillerpromenade in Reinickendorf,<br />

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