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Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

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Feldbahngleisen, geborstenen Betonpfeilern und zerbrochenen Stützbalken lag unter dem sich<br />

langsam senkenden Staub. Schnell wurden Einheiten der Feuerwehr, <strong>des</strong> Heeres, <strong>des</strong> Arbeits<strong>die</strong>nstes,<br />

der Technischen Nothilfe und <strong>des</strong> DRK herbeibeordert, sogar eine Kompanie <strong>des</strong><br />

6. Pionierregiments Küstrin wurde nach Berlin in Marsch gesetzt. Die Polizei hatte das<br />

Katastrophengebiet hermetisch abgesperrt. Das ständige Nachrutschen von Erd- und Sandmassen<br />

und in der Tiefe unter Stromspannung stehende Kabel erschwerten <strong>die</strong> lebensgefährlichen<br />

Rettungsarbeiten. Um den Schacht nicht „absaufen" zu lassen, mußte <strong>die</strong> Feuerwehr<br />

Grundwasser absenken. Da <strong>die</strong> Bergungs- und Aufräumungsarbeiten nur schrittweise vor sich<br />

gingen und Eile geboten war, zog man noch zwei Bergarbeiterkolonnen aus Essen und<br />

Hannover hinzu. Insgesamt arbeiteten 2500 Männer in drei Schichten Tag und Nacht an der<br />

Bergung der Verunglückten. Erst nachdem ein 7 m breiter und 25 m langer Hilfsstollen<br />

vorgetrieben war, konnten am 31. August 1935 <strong>die</strong> Arbeiten endgültig beendet werden.<br />

In dem vor der 11. Großen Strafkammer <strong>des</strong> Schwurgerichts in Moabit eingeleiteten Verfahren<br />

zur Klärung der Einsturzursache sagte später der mitangeklagte Bauleiter: „Ich ging über den<br />

Bohlenbelag längs der Straßenbahngleise auf der Westseite <strong>des</strong> Tunnels ... Da hörte ich<br />

plötzlich ein Pfeifen, als wenn ein Gegenstand durch <strong>die</strong> Luft schlägt und spürte eine Erschütterung<br />

im Bohlenbelag. Ich lief ein paar Schritte nach Süden und drehte mich dann um. Da sah<br />

ich, wie der erste Baum in <strong>die</strong> Baugrube hineinstürzte. In dem Moment beobachtete ich, wie<br />

sich in der Mitte der Baugrube auf der Westseite ein großer Trichter bildete. Sogleich erhob sich<br />

<strong>die</strong> erste große Staubwolke. Als sie verzogen war, konnte man auf der Ostseite noch keine<br />

Bewegung der Erdmassen sehen. Dann aber ging es Schlag auf Schlag hintereinander, bis <strong>die</strong><br />

Baugrube völlig zusammengestürzt war." Ein Oberleutnant vom Wachregiment sagte aus, daß<br />

er sich am Unglückstag auf der vorderen Plattform der in Richtung Potsdamer Platz fahrenden<br />

Straßenbahn befand und von dort aus gesehen habe, wie im Augenblick der Katastrophe <strong>die</strong><br />

unteren Sandmassen nach der Tiergartenseite in den Schacht wegrutschten und dann <strong>die</strong><br />

darüberliegenden Erdmassen nachgaben. Diese Aussage wurde durch weitere Zeugen bestätigt.<br />

Der Geheime Oberbaurat und Reichsbahndirektor Schaper, der <strong>die</strong> Aufräumungsarbeiten<br />

leitete, hatte geäußert, daß offenbar zu tief ausgeschachtet worden sei und daß handwerkliche<br />

Mängel als Mitursache der Katastrophe in Frage kämen. Die Bergungsarbeiten lieferten den<br />

Beweis, daß mehrere der Opfer auf der endgültigen Tunnelsohle lagen, während nach den<br />

gegebenen Anordnungen über der endgültigen Tunnelsohle noch ein Bankett von l'/2 bis 2 m<br />

hätte stehenbleiben sollen, damit <strong>die</strong> Rammträgerfüße gesichert wären. Der Landmesser mußte<br />

<strong>die</strong> Tiefenlage nachprüfen. Das Ergebnis bestätigte vollauf <strong>die</strong> Annahme, daß tatsächlich<br />

unzulässig tief ausgeschachtet worden war.<br />

Nach mehr als 50 Verhandlungstagen schloß das Landgericht das Verfahren ab. Drei Bauräte<br />

der Reichsbahn und zwei Bauführer wurden im Mai 1936 zu Gefängnisstrafen bis zu drei<br />

Jahren verurteilt.<br />

Anschrift <strong>des</strong> Verfassers:<br />

Werner Schaumann, Sundgauer Straße 9, 1000 Berlin 37<br />

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