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Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

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verlassen. Gewiß hat er das bittere Gefühl <strong>des</strong> Verkannt- und Mißachtetseins von einer<br />

schnöden Welt ausgekostet, aber sein Trotz bäumte sich dagegen auf. Noch sah er seine große<br />

Karriere vor sich und benötigte den König als Mittel zum Zweck - seinem anomal gesteigerten<br />

Geltungsdrang Erfüllung werden zu lassen. Er „bockte" nur und wollte wieder gebeten sein,<br />

eine Erwartung, <strong>die</strong> ihn auch nicht täuschte.<br />

An einer außenpolitischen Affäre im Zusammenhang mit dem Krimkrieg zerbrach im Herbst<br />

1855 das „Freundschaftsverhältnis" zwischen dem König und Saegert. Als einziger unter allen<br />

Vertrauten Friedrich Wilhelms stützte der Schuldirektor seinen Monarchen, als <strong>die</strong>ser je einen<br />

Sonderbotschafter in <strong>die</strong> westlichen Hauptstädte London und Paris senden wollte, um <strong>die</strong><br />

Bündnisfrage mit den Westmächten beziehungsweise <strong>die</strong> preußische Teilnahme an den kommenden<br />

Wiener Friedenskonferenzen zu erörtern. Saegert korrespon<strong>die</strong>rte bald auch eifrig mit<br />

den beiden Spezialgesandten, dem Geheimrat Usedom und dem General Wedell, gab ihnen<br />

sogar unter Umgehung <strong>des</strong> Königs Ratschläge und „rektifizierte" deren Meinungen. In London<br />

wie Paris erwiesen sich <strong>die</strong> Missionen als völlige Mißerfolge. Nach Berlin zurückgekehrt, gingen<br />

Wedell und Usedom auf <strong>die</strong> Suche nach dem Schuldigen, den sie in Manteuffel zu finden<br />

glaubten, der ihre Reisen durch Gegeninstruktionen <strong>für</strong> <strong>die</strong> offiziellen preußischen Gesandten<br />

von vornherein zur Aussichtslosigkeit verurteilt habe. Saegert, schlau genug, um <strong>die</strong> Blamage<br />

der preußischen Politik zu erkennen und den drohenden Sturm der Auseinandersetzung<br />

zwischen den Beteiligten ahnend, schickt dem König, der ihn um Auskunft bittet, mehrere<br />

Schreiben mit schwächlichen Rechtfertigungsversuchen und Absagen weiterer Tätigkeit'<br />

„durch <strong>die</strong> Hintertür". Er unterstellt, daß seinem Reden und Predigen kein Gehör geworden<br />

und <strong>des</strong>halb <strong>die</strong> Karre mit aller Gewalt in den Dreck gefahren sei. Oder er vergleicht sich mit<br />

einem Souffleur, der nicht mehr vermag, als den Helden auf <strong>die</strong> Beine zu sehen, er aber -<br />

Saegert - wolle nicht mit seinen Gaben „<strong>für</strong> solch Schauspielerpack verbraucht werden"<br />

(12. August 1855). Der König rügt den Inhalt und Ton solcher Briefe energisch, versichert<br />

Saegert jedoch weiterhin der Unverbrüchlichkeit seiner Dankbarkeit und Treue, ohne in<strong>des</strong>sen<br />

den Schuldirektor umstimmen zu können. Dieser weist alle Versuche Friedrich Wilhelms, mit<br />

Hilfe von Fragen in politischen Angelegenheiten das alte Verhältnis wiederherzustellen,<br />

schnöde zurück. Selbst <strong>die</strong> Aussteuerbeihilfe <strong>für</strong> <strong>die</strong> Saegertschen Töchter, der alljährlich zu<br />

Weihnachten ein Betrag hinzugefügt wurde, verschmähte deren Vater, allerdings erfolglos. Des<br />

demütigenden Bemühens um <strong>die</strong> Freundschaft eines Unwürdigen endlich müde, erklärt der<br />

König, hinfort nichts Schriftliches von dem Direktor mehr annehmen zu wollen. Dennoch<br />

schickt er <strong>die</strong>sem zu Pfingsten 1856 noch ein Porträtbild mit einer Inschrift auf der Rückseite,<br />

<strong>die</strong> von fortdauernder Hochachtung und Dankbarkeit zeugt.<br />

Der Einfluß Saegerts auf Friedrich Wilhelm pflegte m dem Maß zu wachsen, in dem sich der<br />

Monarch von seinen Ratgebern in Regierung oder Freun<strong>des</strong>kreis verlassen fühlte und auf sich<br />

selbst gestellt fand. Sobald sich der Monarch mit seinen verschwiegenen Lieblingswünschen -<br />

im Jahre 1848 gehörte hierzu <strong>die</strong> schnelle Rückkehr <strong>des</strong> vor der Revolution nach England<br />

ausgewichenen Prinzen von Preußen, 1854/55 <strong>die</strong> Entsendung von Spezialbeauftragten in <strong>die</strong><br />

westlichen Hauptstädte - einer vorhandenen oder vermuteten Opposition gegenübersah, war<br />

der geschmeidige Scharlatan Saegert der Mann, der dem ängstlichen und unsicheren Monarchen<br />

insgeheim den Rücken steifte. So hat der Schuldirektor seinen indirekten Einfluß ausüben<br />

können und namentlich in der Affäre Wedel/Usedom <strong>die</strong> Schwierigkeiten vergrößern helfen,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> auf verantwortliche Stellen berufenen Männer ohnehin schon mit ihrem königlichen<br />

Gebieter hatten.<br />

SO<br />

Anschrift <strong>des</strong> Verfassers: Dr. G. Kutzsch, Königin-Eüsabeth-Straße 12, 1000 Berlin 19

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