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Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

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auf, „in <strong>die</strong>ser Branche aber sei noch Ordnung und man wünsche nicht, daß sie auch dort<br />

aufhöre". Friedrich Wilhelm war wütend und erklärte bei Patows Entlassung, er habe ihm auch<br />

<strong>die</strong>se Stellungnahme nicht vergessen.<br />

Das nächste Ziel eines Doppelangriffs von Seiten <strong>des</strong> Königs und Saegerts ist Kultusminister<br />

Ladenberg. Dieser widersetzt sich hartnäckig dem Ansinnen, Saegert gar ins Ministerium<br />

avancieren zu lassen und ihm ein besonderes Dezernat <strong>für</strong> Taubstummenangelegenheiten<br />

einzuräumen. Mit wohlgesetzten Worten weist der Minister seinen königlichen Herrn darauf<br />

hin, daß <strong>die</strong>ser Mann von Einseitigkeit und Selbstüberschätzung, <strong>die</strong> dem Dilettantismus eigen,<br />

nicht frei sei und daß <strong>die</strong> unangenehm hervortretende Neigung zu Geltungssucht und Überheblichkeit<br />

ihn mit einer Reihe sehr achtbarer Direktoren und Lehrer in Konflikt gebracht habe.<br />

Bis ins dritte und vierte Glied will sich Saegert, der von dem Bericht <strong>des</strong> Ministers Kenntnis<br />

erhielt, an Ladenberg rächen. In einem langen Handschreiben vom 26. August 1850 versucht<br />

der König, Ladenberg über sein wahres Verhältnis zu Saegert aufzuklären, den er einen „streng<br />

und geistreich konservativen integren Mann" nennt, den eine unselige konstitutionelle Bürokratie<br />

zu kompromittieren versuche. Der Kultusminister entgegnet mit einem Hinweis auf <strong>die</strong><br />

Beurteilungen durch den Regierungspräsidenten v. Wolff-Metternich und andere Vorgesetzte<br />

Saegerts, daß man es mit einem tieferer wissenschaftlicher Bildung ermangelnden, der Basis<br />

eines gründlichen und richtigen Urteils entbehrenden, ehrgeizigen Mann zu tun habe, der in der<br />

Lehrerwelt <strong>für</strong> einen aufgeblasenen, eitlen Schwätzer gelte, dem es nur um das Geltendmachen<br />

seines eigenen Interesses zu tun sei und der sich auf Kosten seiner Berufspflichten überall<br />

hervordränge. Saegerts Aufnahme ins Kollegium bedrohe den Hochstand <strong>des</strong> preußischen<br />

Bildungs wesens, indem sie alle wissenschaftlich gebildeten Lehrer tief entmutigen müsse. Auch<br />

Ladenbergs Nachfolger v. Raumer, unternahm jahrelang nichts Entscheiden<strong>des</strong>, um <strong>des</strong> Königs<br />

und Saegerts Wünsche zu erfüllen. Erst im Sommer 1852 erinnert Saegert das Ministerium<br />

wieder daran, daß sein produzierender Geist im Fach der Humanitätspflege sich nicht einzwängen<br />

lasse, daß er im Ausland verherrlicht, in Berlin aber grundlos Persona ingrata bei den<br />

Behörden sei. Anlaß <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beförderung zum Schulrat (Juli 1852) wurde jedoch eine vorübergehende<br />

Trübung <strong>des</strong> Verhältnisses zu Friedrich Wilhelm, der in dem Bemühen um Versöhnung<br />

dem schmollenden „Freunde" einen Gefallen tun wollte. „Fortschritte habe ich nicht<br />

gemacht", hatte <strong>die</strong>ser dem König geschrieben, „E. M. (Euer Majestät) haben in vier Jahren<br />

nicht vermocht, mich zu der Höhe zu erheben, <strong>die</strong> ein Bormann, Heindorf, v. Gräfe und Stiehl<br />

(d. s. Schul- und Geh. Regierungsräte) einnehmen, ich bin <strong>die</strong>sen gegenüber ein Untergebener<br />

geblieben... ich leide an keinerlei Illusionen mehr, darum fort mit der Politik, Arbeit <strong>für</strong> eigene<br />

Rechnung ... ich bin seit November 48 wie ein Hund verdrängt, beseitigt - ich werde mich in<br />

einigen Jahren emanzipiert und verjüngt haben; mit einer Politik, <strong>die</strong> Manteuffel. Westphalen<br />

und Raumer führen, gehe ich keinen Schritt weiter fort..." (19. Mai 1852). Einmal zum<br />

Regierungsschulrat ernannt, nimmt Saegert nach dreimonatiger Unterbrechung seine Besuche<br />

bei Friedrich Wilhelm sogleich mit einem fünfstündigen Gespräch wieder auf. Der König irrte<br />

aber in der Meinung, seinen Intimus zufriedengestellt zu haben. Dieser fühlt sich in der<br />

Provinzialbehörde „zwischen oben und unten eingeklemmt" und „als Mädchen <strong>für</strong> alles"<br />

behandelt. Abermals erhält Raumer Befehl, Saegert anzuhören. Der Minister zaudert und hat<br />

„moralische Bedenken", <strong>die</strong>sen Mann zum Ministerialrat zu machen. Er wolle ihn nur empfangen,<br />

schreibt der Direktor, „wie man auch Zeitungsschreiber, Spione und Schmarotzer empfängt<br />

und verbraucht" (24. Dezember 1852). Das trostlose Spiel vom Sommer <strong>die</strong>ses Jahres<br />

wiederholt sich: Der „Freund" droht dem König seinen Rückzug an und hält vierzehn Tage<br />

darauf seine Bestallung zum General-Inspekteur <strong>des</strong> Taubstummenwesens in den Händen<br />

(Allerhöchster Erlaß vom 8. Januar 1853).<br />

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