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Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

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ßie Militärkuranstalt zu Frohnau<br />

Eine Akte aus dem Wilhelminischen Kaiserreich<br />

Von Christiane Knop<br />

Bei Durchsicht einer Akte <strong>des</strong> Kriegsministeriums, und zwar seiner Medizinalabteilung von<br />

1916 bis 1919 „betr. Heilanstalt Frohnau" 1 , ergibt sich ein ungewöhnliches Bild vom Ablauf<br />

einer Verwaltungsentscheidung im Wilhelminischen Kaiserreich - auch in Zeiten <strong>des</strong> Krieges -,<br />

das geeignet ist, Klischees von der militärischen Vorrangigkeit <strong>des</strong> Obrigkeitsstaates gegenüber<br />

dem Bürgerwillen zu korrigieren. Es ist in besagtem Falle keineswegs so, daß der Kaiser oder<br />

sein Reichskanzler über den Volkswillen hinweg befohlen und der Magnat Fürst von Donnersmarck<br />

habe seinem Prestige neue Nahrung gegeben.<br />

Die Verhandlungen, <strong>die</strong> sich vom Mai 1916 bis in den Herbst 1919 hinziehen, spiegeln einerseits<br />

das schwerfällige Hin und Her zwischen den höchsten Reichsbehörden in einem Rechtsstaat,<br />

obschon einem obrigkeitsstaatlichen, und andererseits das traurige Abgleiten jeder Initiative,<br />

aller Wünsche, Entwürfe und Schätzungen bis in <strong>die</strong> trostlose Lage der Kapitulation und<br />

Demobilisierung, wie sie ein Assessor beim Landrat <strong>des</strong> Kreises Niederbarnim im Oktober 1918<br />

vorausahnte.<br />

Ein großes Projekt scheint zerredet worden zu sein, wenn man auf der letzten Seite 2 <strong>die</strong> lapidare<br />

Feststellung liest: „... das Bauvorhaben betreffend <strong>die</strong> Einrichtung einer Militär-Kuranstalt zu<br />

Frohnau bei Berlin ... soll fallengelassen werden." Dies am 16. April 1919. Auf eine wahrhaft<br />

<strong>für</strong>stliche Schenkung von 1000 Morgen Waldland und 3 Millionen Goldmark zur Errichtung<br />

einer Militärheilanstalt <strong>für</strong> Schwerstverwundete, über <strong>die</strong> der Kaiser als Kuratoriumsvorsitzender<br />

selbst verfügen sollte, scheint kleinmütiges Versagen <strong>die</strong> Antwort gewesen zu sein.<br />

Als der Schriftwechsel begann, war der Fürst seit wenigen Wochen tot, aber <strong>die</strong> Schenkung an<br />

den Kaiser bestand schon; es wäre nun auf <strong>die</strong> verwaltungsjuristischen und finanztechnischen<br />

Folgeeinrichtungen angekommen, ein medizinisch bahnbrechen<strong>des</strong> Projekt zu verwirklichen.<br />

Doch der Heutige, der <strong>die</strong> Auseinandersetzung um Haushaltsentwürfe und Sparbeschlüsse, <strong>die</strong><br />

Wirkungskraft wirtschaftswissenschaftlicher Prognosen und parteipolitischer Argumentationen<br />

um Arbeitsplätze und Versorgungsbezüge, aber auch Verantwortungsscheu aus arbeitsmarktpolitischen<br />

Gründen kennt, versteht den sich mit fast gesetzmäßiger Notwendigkeit<br />

vollziehenden Entscheidungsvorgang mit seinem Nein und Nun-nicht-mehr. Er findet <strong>die</strong><br />

Gegenwart widergespiegelt.<br />

Die Hauptpersonen der Handlung sind der Reichskanzler von Bethmann-Hollweg, dem<br />

damals auch das Reichsschatzamt unterstand, der Kriegsminister von Falkenhayn als oberster<br />

Dienstherr <strong>des</strong> Feldsanitätsdepartements, der Generalstabsarzt der Armee im Großen Hauptquartier,<br />

Professor von Schjerning, als Be<strong>für</strong>worter <strong>des</strong> Planes, der Landrat beim Kreise<br />

Niederbarnim, von Gerlach, zu dem der Gutsbezirk „Kaiserlich Frohnau" gehören sollte;<br />

hinzu kommen Architekten und Ingenieure, <strong>die</strong> aufgrund der Bodenbeschaffenheit Fragen der<br />

Be- und Entwässerung, der Heiz- und Kochanlagen begutachten, und sogar ein erster Bewerber,<br />

der <strong>die</strong> Anstalt wirtschaftlich leiten möchte, weil er Erfahrungen solcher Art aus der<br />

Ostasienexpedition einbringen kann 3 .<br />

Dem Reichskanzler wird zunächst eine sorgfältig durchdachte Denkschrift <strong>des</strong> Generalstabsarztes<br />

der Armee und <strong>des</strong> Chefs <strong>des</strong> Feldsanitätswesens, von Schjerning, aus dem Großen<br />

Hauptquartier vorgelegt, abgefaßt im Januar 1916. Sie ist bereits Ergebnis vorangegangener<br />

Besprechungen <strong>des</strong> damals 86jährigen Fürsten von Donnersmarck mit dem Leibarzt der<br />

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