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Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

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Auch Theodor Fontane, der mittlere Sohn <strong>des</strong> Schriftstellers, war Schüler, und zwar „Primus<br />

omnium", <strong>des</strong> Gymnasiums, sehr zum Stolz <strong>des</strong> Vaters, der bekennen mußte, „daß nie ein<br />

Fontane das Abiturientenexamen gemacht, geschweige vorher <strong>die</strong> Stelle eines ,Primus<br />

omnium' bekleidet hat", im Gegenteil immer aus Oberquarta abgegangen sei.<br />

Der Schriftsteller und Journalist Ernst Heilborn, der 1886 das Abitur am Gymnasium bestand,<br />

über Novalis und E. T. A. Hoffmann, über den „Geist der Schinkel- und der Bismarckzeit"<br />

gearbeitet hat, kam als 74jähriger nach Verhaftung durch <strong>die</strong> Gestapo unter ungeklärten<br />

Umständen in einem Gefängnis ums Leben.<br />

Wohl der berühmteste Schüler <strong>des</strong> Gymnasiums war Kurt Tucholsky, der hochbegabte<br />

Journalist, Kritiker und Moralist der Weimarer Zeit, der, wie Erich Kästner sagt, „mit der<br />

Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten wollte" und der auf der Flucht vor den Schergen<br />

<strong>des</strong> nationalsozialistischen Regimes Zuflucht in Schweden fand, wo er seinem Leben ein Ende<br />

setzte. Nach dem Besuch der Obertertia wechselte der schwierige, aufsässige und kritische<br />

Schüler auf das Kgl. Wilhelms-Gymnasium. In seinen autobiographischen Schriften läßt er<br />

kein gutes Haar an seinen Lehrern und Schulen, nicht zuletzt, weil <strong>die</strong> Deutschlehrer immer<br />

zweifelten, daß er seine Aufsätze selbst schrieb, und glaubten, ihn zu selbständiger Arbeit<br />

auffordern zu müssen. Nicht mit Haß dachte er an seine Schulzeit zurück, sie blieb ihm „völlig<br />

gleichgültig".<br />

Voller Stolz dagegen bekennt sich der Literat Hans Jacob in seinen Memoiren „Kind meiner<br />

Zeit" dazu, Schüler <strong>des</strong> Gymnasiums von der Vorschule bis zu seinem Notabitur im Kriegsjahr<br />

1914 gewesen zu sein. Der liberalen jüdischen Großbourgeoisie <strong>Berlins</strong> entstammend, lobte der<br />

Autor <strong>die</strong> begrenzte Schülerzahl, aus der ihm besonders <strong>die</strong> Kinder <strong>des</strong> französischen Küchenchefs<br />

<strong>des</strong> Kaisers und der großen Berliner Hotels „Bristol" und „Kaiserhof' imponierten. Sie<br />

waren neun in ihrer Klasse, Felix Bressart, der Ältere, unter uns noch als glänzender Schauspieler<br />

bekannt, gehörte zu seinen Kameraden. „Erst jetzt", so schreibt er, „sehe ich, wie modern<br />

meine Schule war. In den oberen Klassen war der Unterricht das, was man heute ein Seminar<br />

nennen würde... Ich bin sehr gern zur Schule gegangen, und das rote Haus am Reichstagsufer, das<br />

.Theater an der Spree', steht unverrückbar in meiner Erinnerung."<br />

Auch der Romanist von Weltruf, Professor Klemperer, der in seinem „Notizbuch eines<br />

Philologen - LTI" <strong>die</strong> Sprache <strong>des</strong> Dritten Reichs entlarvend analysierte, saß um <strong>die</strong> Jahrhundertwende<br />

auf den Bänken <strong>des</strong> Gymnasiums.<br />

Zwei weitere weltbekannt gewordene Schüler seien noch angeführt, der Botschafter Sigismund<br />

und sein Bruder, der Raketenkonstrukteur Wernher von Braun. Der Raumfahrtforscher<br />

mußte <strong>die</strong> Schule allerdings wegen mangelnder Leistungen in Physik frühzeitig verlassen. Daß<br />

daran nicht der Unterricht in <strong>die</strong>sem Fach <strong>die</strong> Schuld trug, zeigt <strong>die</strong> Tatsache, daß er auf der<br />

Schule, auf der er seine Ausbildung dann mit Erfolg fortsetzte, seinen Mitschülern Nachhilfeunterricht<br />

in Physik erteilen konnte. Daß der bekannteste deutsche Chansonnier Reinhard Mey<br />

auf den Bänken <strong>des</strong> Französischen Gymnasiums saß und hier seine erste Frau, eine Französin,<br />

kennenlernte, möge nicht unerwähnt bleiben.<br />

Und letztlich soll auch der Sohn <strong>des</strong> schon erwähnten renommierten Germanisten und<br />

Diplomaten Andre Francois Poncet, der bis 1938 als Botschafter beim Deutschen Reich in<br />

Berlin resi<strong>die</strong>rte, zu Wort kommen. Louis Poncet, der das Französische Gymnasium in den<br />

letzten Jahren der Weimarer Republik besuchte, denkt nicht nur mit Wohlwollen an seine<br />

Schulzeit zurück. Nicht zuletzt trug dazu der deutschnationale Direktor mit seinen nationalistischen<br />

Tiraden von der Wiedereroberung der im Ersten Weltkrieg verlorenen Gebiete und mit<br />

seinen Haßtiraden auf <strong>die</strong> schwarzrotgoldenen Farben der Republik erheblich bei. Aber nicht<br />

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