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Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

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konnte er sich an dem vom Sonnenschein übergossenen Havelufern, <strong>die</strong> uns so lieb und<br />

vertraut waren, nicht satt sehen. Beim Passieren der Pfaueninsel, <strong>die</strong> er so innig in sein Herz<br />

geschlossen hatte, und auf der wir so unendlich oft als Kinder und später auch als Erwachsene<br />

mit ihm in trautem Familenkreise geweilt hatten, überkam ihn tiefe Wehmut. Langsam winkte<br />

er mit der Hand hinüber, und eine Träne stahl sich aus seinem Auge - er nahm Abschied von<br />

der lieblichen Insel und all den schönen Erinnerungen, <strong>die</strong> sich an sie knüpften. Dieser Anblick<br />

war so ergreifend, daß ich <strong>die</strong> Kommandobrücke aufsuchen mußte, um <strong>die</strong> mich übermannende<br />

Rührung zu verbergen. Ich stellte mich neben den Schiffsführer, Kapitän Veiten, dem es<br />

nicht anders als mir erging. Er hielt das Steuerrad fest in der Hand, starr vor sich in <strong>die</strong> Ferne<br />

blickend, <strong>die</strong> Zähne zusammengebissen, während <strong>die</strong> Tränen in seinen mächtigen rötlichen<br />

Seemannsbart hinabrannen" (48).<br />

Etwas weniger von Gefühlen geleitet sah General Leo v. Caprivi, der damalige Chef der<br />

deutschen Admiralität, <strong>die</strong> Marinebegeisterung <strong>des</strong> künftigen Herrschers. Bereits am 28. September<br />

1887 hatte ihn nämlich der Vortragende Rat im Auswärtigen Amt Friedrich v. Holstein<br />

auf eine mögliche Regentschaft <strong>die</strong>ses Kaiserenkels angesprochen. Seine von dem Diplomaten<br />

festgehaltene Antwort lautete: „Himmel, Himmel, wie wird das nur werden, wenn Prinz<br />

Wilhelm jetzt schon herankommt? Er glaubt, daß er alles versteht, sogar Schiffbau ..." (49).<br />

Offensichtlich scheint Wilhelm II. nichts von <strong>die</strong>ser reservierten Einstellung Caprivis gewußt zu<br />

haben, denn er wurde nach Bismarcks Rücktritt zum ersten von <strong>die</strong>sem Kaiser ernannten<br />

Reichskanzler.<br />

Das Interesse seines Herrschers <strong>für</strong> Schiffbau ist der „Royal Louise" gut bekommen. „Zu einer<br />

größeren Ausbesserung wurde unser Schiff im Winter 1886/87 und 1902 bei Kluge in Sacrow<br />

auf Land geholt und im Spanten- und Plankenwerk wiederhergestellt. Die Kosten beliefen sich<br />

auf 2700 bzw. 7000 Mark" (50). Von <strong>die</strong>sem Werftaufenthalt <strong>des</strong> Schiffes existieren auch<br />

Photographien.<br />

Der populärste Marinemaler der Wilhelminischen Zeit Willy Stöwer hat <strong>die</strong> Fregatte unter<br />

vollen Segeln auf der Havel min<strong>des</strong>tens zwei Mal gemalt. Die Wirkung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> preußische<br />

Königsfamilie mit <strong>die</strong>sem Schiff auf den sich ausbildenden Berliner Wassersport als gesellschaftliches<br />

Vorbild <strong>für</strong> bürgerliche Kreise gehabt hat, kann wohl nur erahnt werden.<br />

Während seiner Regierungszeit machte Wilhelm II. jährlich eine große sommerliche Seereise,<br />

oft in norwegische Gewässer. Eine Rückwirkung auf das heimische Potsdam war der Neubau<br />

der Matrosenstation, dabei wurde ein Entwurf <strong>des</strong> Osloer Stadtbaumeisters Munthe Entwürfen<br />

von Häberlin jr. und einer monumentalen Planung der Admiralität vorgezogen. Der Kaiser<br />

gab <strong>die</strong>sem in norwegischer Holzbauweise errichteten Haus den Namen KONGNvES<br />

(Königslandzunge) (51).<br />

Das Segeln auf den Revieren der Havel trat jedoch mehr und mehr hinter den Veranstaltungen<br />

der erstmals 1882 begangenen Kieler Woche zurück. Dort fanden auch <strong>die</strong> Paraden der<br />

wachsenden Kaiserlichen Marine statt, <strong>die</strong> von England und seiner Königsfamilie, <strong>die</strong> 1832 das<br />

Miniaturkriegsschiff „Royal Louise" in ein Preußen geschenkt hatten, wo vielen Berlinern der<br />

Anblick <strong>die</strong>ser Fregatte den ersten Eindruck eines seegehenden Schiffes vermittelt hatte, als<br />

bedrohliche Konkurrenz empfunden wurde. Auch der Onkel Wilhelms IL, der englische<br />

Herrscher Edward VII., kam an <strong>die</strong> Ostsee. Er begab sich „im Juni 1904 zur Kieler Woche,<br />

nahm aber, um das gallische Mißtrauen zu zerstören, ein paar französische Aristokraten mit.<br />

Der Kaiser gab sich alle Mühe, um einen guten Eindruck zu machen... aber irgendwie blieb der<br />

erwünschte Eindruck aus. Gewiß er sah den König und Lord Selbourne, den Marineminister,<br />

während der Flottenparade bedeutungsvolle Blicke wechseln, aber zum Schluß sagte sein<br />

Onkel ihm nur, er wisse ja, daß Wilhelm stets am Segeln Spaß gehabt habe" (52).<br />

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