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Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

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Friedhofs Weißensee und geht auf eine Reihe von Museen ein. Im Kapitel „Die Sprache" behandelt er eine<br />

Schrift <strong>des</strong> vor einiger Zeit verstorbenen Dr. Heinz Gebhardt, der sich seit 1931 nicht nur mit Glaßbrenners<br />

Berlinisch beschäftigte. Glaßbrenners Heft „1844 im Berliner Guckkasten", bei Tauchnitzin Leipzig, „also<br />

im Ausland", gedruckt, ist Gegenstand einer gesonderten Betrachtung. Glaßbrenner bezeichnet sich dort<br />

„als ausgestoßnes Mitglied <strong>des</strong> Mäßigkeitsvereines zu Berlin und Mensch". H. Knobloch rührt an ein Tabu<br />

(S. 128), wenn er an <strong>die</strong> gemeinsame Parade der Wehrmacht und der Roten Armee nach der Niederschlagung<br />

Polens erinnert, und er ist kritisch, wenn er beanstandet, daß man nicht einmal zum 250. Geburtstag<br />

Daniel Chodowieckis <strong>des</strong>sen Grab auf dem französischen Gemeindefriedhof geschmückt hat. Andererseits<br />

läßt er Heinrich von Kleist nicht Gerechtigkeit zuteil werden, wenn er unterschlägt, welche Inschrift<br />

der jetzige Grabstein trägt, nachdem <strong>die</strong> ursprüngliche Marmorplatte von 1861 seit 1936 im Magazin <strong>des</strong><br />

Märkischen Museums liegt. Geradezu tragikomische Züge hat <strong>die</strong> Schilderung <strong>des</strong> Besuchs von Fontanes<br />

Grab zu <strong>des</strong>sen 80. To<strong>des</strong>tag, der ihm nach 21 Telefongesprächen genehmigt wurde, mit der Fotogenehmigung<br />

<strong>des</strong> Ministeriums <strong>für</strong> Nationale Verteidigung. Ob <strong>die</strong> drei Urenkelinnen Fontanes tatsächlich „im<br />

Ausland" leben, darf allerdings mit Fug und Recht gefragt werden.<br />

Der Verfasser mußte wohl der Hilfe eines Lektors/Korrektors entraten, sonst wären ihm nicht so<br />

auffallende Fehler bei Eigennamen durchgegangen wie Leibnitz, Baedecker oder Jenny v. Westfalen, <strong>die</strong><br />

als Westphalen in <strong>die</strong> Ehe mit Marx ging. Man stolpert auch über <strong>die</strong> Gebrüder Grimm und Humboldt, <strong>die</strong><br />

doch keine Firma, sondern schlichte Brüder sind. Um deutsche geographische Bezeichnungen macht<br />

H. Knobloch auch dort einen großen Bogen, wo er etwa beim Plattensee statt Balaton keine Repressionen<br />

erwarten muß.<br />

Das Papier muß nicht von bester Qualität, das Buch aber so gebunden sein, daß man <strong>die</strong> Zeilenenden der<br />

linken Seite und <strong>die</strong> Anfänge der rechten Seite lesen kann. Im Zusammenhang mit dem unzugänglichen<br />

Invalidenfriedhof in der Scharnhorststraße stellt der Autor <strong>die</strong> utopische Frage etwa im Jahre 2679, „wieso<br />

<strong>die</strong> Vorfahren ihre teuren Toten ausgerechnet in unmittelbarer Nähe ihrer Staatsgrenze beerdigten". Der<br />

Rezensent ist sicher nicht der einzige Leser Heinz Knoblochs, der hofft, daß in 700 Jahren <strong>die</strong> „Staatsgrenze"<br />

mitten durch eine Stadt nur noch als ein Treppenwitz der Weltgeschichte angesehen wird.<br />

H. G. Schultze-Berndt<br />

Was nun, Berlin. Beatrice Kunz (Fotos) und Eva Raith (Text). Jonas Verlag <strong>für</strong> Kunst und Literatur<br />

GmbH, Marburg 1982, broschiert 18 DM.<br />

Eigenwillige Texte sind ebenso ausdrucksstarken Fotos gegenübergestellt: „in einer zerrissenen Stadt / in<br />

einem land mit brächen / in einer zeit ohne worte... <strong>die</strong> gespräche sind monologe geworden." Berlin wird<br />

man schwerlich auf den ersten Blick erkennen, wenn einem nicht Monumentalbauten den Weg weisen,<br />

eher das, was man früher Weltschmerz und heute Tristesse nennt: „manchmal wünsch ich mir / daß <strong>die</strong><br />

sonne (mich wärmt), immer weiter / so lange ich lebe." Man verspürt auch nichts mehr von Jugendrevolte,<br />

eher von einer den Älteren unverständlichen Resignation. Ein Foto <strong>des</strong> Charlottenburger Schlosses wird<br />

von dem folgenden Text begleitet: „wozu braucht man ein schloß heutzutage / wo <strong>die</strong> zukunft abhanden<br />

gekommen ist / wo <strong>die</strong> Vergangenheit uns schon längst eingeholt hat / wo du <strong>die</strong> gegenwart nur noch<br />

ersäufen kannst." H. G. Schultze-Berndt<br />

Herbert Hoffmann: Berlin vor fünfzig Jahren. Ein Fotoreporter sieht seine Stadt und ihre Menschen.<br />

Rembrandt Verlag Berlin, 64 Seiten, 80 Abbildungen, Leinen, 29,80 DM.<br />

Herbert Hoffmann, auch der „Zille mit der Kamera" genannt, weil man damals noch nichts von Zille als<br />

hervorragendem Fotografen wußte, ist so alt wie unser Jahrhundert (geboren am 27. Juli 1899). Er hat sich<br />

weniger der feierlichen Anlässe als <strong>des</strong> Berliner Alltags angenommen, wenn er „durch <strong>die</strong> Gegend, durch<br />

das Scheunen viertel, durch Neukölln" wanderte und Schnappschüsse machte. „Sechs bis acht Stunden bin<br />

ich da manchmal gelaufen, immer mit offenen Augen." Da zu seiner Zeit manche Zeitungen dreimal<br />

täglich erschienen, mußten <strong>die</strong> Redaktionen immer mit neuestem Bildmaterial versorgt werden. Die in<br />

<strong>die</strong>sem Band getroffene Auswahl verzichtet auf <strong>die</strong> damaligen politischen oder kulturellen Aktualitäten<br />

zugunsten der, wie es im Vorwort heißt, Darstellung <strong>des</strong> Lebens selbst. Ergänzend wurden einige<br />

Aufnahmen aus dem Archiv der Lan<strong>des</strong>bildstelle eingegliedert. Wünschenswert wäre es gewesen, auch <strong>die</strong><br />

Jahreszahlen anzugeben, wo sich <strong>die</strong>s bewirken ließ, weil <strong>die</strong> Fotos zwischen 1918 und 1933 entstanden<br />

sind.<br />

Nichts kennzeichnet <strong>die</strong> Entwicklung der Weimarer Republik besser als <strong>die</strong> beiden hier zitierten Inschriften.<br />

Das erste Bild „So begann <strong>die</strong> erste deutsche Republik" zeigt eine Straßendemonstration, auf der ein<br />

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