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Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1983

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Bei jedem Gang durch den Klosterhof stellen <strong>die</strong> vielen unterschiedlichen Säulen erneute<br />

Fragen. Zum Beispiel: Wo gibt es derart meisterhaft stilisierte und kostbar gearbeitete Basen<br />

wie <strong>die</strong> der Porphyrsäulen neben der Gottvater-Büste, und wer schuf das urtümlich, mythisch<br />

wirkende Kapitell mit dem Kopf eines Dämons zwischen Tauben? Die beiden Korbkapitelle zu<br />

sehen <strong>des</strong> Wandgrabes von Pietro d'Abano hingegen lassen sich datieren und orten. Sie<br />

stammen aus dem 6. Jahrhundert und kommen vielleicht aus San Michele in Ravenna. Diese<br />

byzantinische Kirche war Mitte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts derart verfallen, daß König Friedrich<br />

Wilhelm IV. mit einer Sondererlaubnis <strong>des</strong> Papstes das Apsismosaik kaufen konnte (es befindet<br />

sich heute im Ostberliner Bode-Museum). Es liegt nahe anzunehmen, daß sich Prinz Carl beim<br />

Kauf und Transport von Kunstwerken aus Italien seinem Bruder anschloß.<br />

Marmorbase einer Porphyrsäule Kapitell unter der Gottvater-Nische<br />

Noch ein Gedanke zu den „Glienicker" Korbkapitellen: Die geschichtliche Spanne zwischen<br />

ihrer Entstehung und der Lebensmitte <strong>des</strong> Pietro d'Abano - um 580 bis um 1280 - ist zeitlich<br />

etwa gleich „weit" wie zwischen dem Philosophen und uns. Siebenhundert Jahre... vierzehnhundert<br />

Jahre! Was ist „Zeit"?<br />

Nicht symbolträchtig, sondern schmückend wirken Paare gedrehter Mosaiksäulen um ein<br />

Fenster und eine Blendtür. Sie entstanden wohl in der Werkstatt der römischen Familie Cosma,<br />

<strong>die</strong> seit Beginn <strong>des</strong> 13. Jahrhunderts berühmt wurde. Mir fiel als Vergleich <strong>die</strong> Tribuna der<br />

Unterkirche von San Francesco in Assisi ein. Auch <strong>die</strong>se Empore ist mit gedrehten Kosmatensäulen<br />

geschmückt und einem Kreismuster, das dem <strong>des</strong> Sarkophages von Pietro d'Abano<br />

ähnelt. Wieder andersgestaltete Säulen tragen <strong>die</strong> Kuppel <strong>des</strong> kleinen Glockenhauses, das sich<br />

über der nordwestlichen Dachecke <strong>des</strong> Klosterhofes ins Baumgezweig erhebt. Ihre gedrehten<br />

Säulen entsprechen denen <strong>des</strong> nördlichen Seitenflügels. Sie sind denen der beiden Ein- und<br />

Ausgangshallen und außerdem den Porphyrsäulen um <strong>die</strong> Gottvater-Büste verwandt. Welche<br />

der Säulen sind „alt", aus dem Mittelalter, und welche sind „neu", aus dem 19. Jahrhundert?<br />

Gegen Echtheitszweifel spricht, daß kein Kapitell dem anderen gleicht. Selbst in den Windungen<br />

der Säulenschäfte unterscheiden sie sich. Was also ist hier „echt", was „unecht"?<br />

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