Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Axel Gropp 107<br />
Beitrag für eine vielleicht<br />
letzte Abi-Zeitschrift<br />
Ein wenig klingt diese Aufforderung nach Abschied,<br />
letzter Chance, Entwurf für den irgendwann<br />
ohnehin fälligen eigenen Nachruf, oder ist<br />
es doch nur die sicherlich notwendige Drohgebärde<br />
pensionierter Lehrer, die ihren alten, bekannt<br />
schreibfaulen Klassenkameraden maximal<br />
vier DIN A4 Seiten „Humboldt-Geist“, persönliches<br />
Erleben in ehrlicher Offenheit abringen<br />
wollen – ohne all die Lebenslaufverrenkungen und<br />
Entstellungen, die bei den vielen zurückliegenden<br />
Bewerbungs-Selbstdarstellungen vielleicht<br />
manchmal durchaus hilfreich gewesen sein mögen<br />
?<br />
Wer in seinem noch immer nicht ganz abgeschlossenen<br />
Berufs- und Arbeitsleben - ich war<br />
auch früher schon viel jünger als der Rest der<br />
Klasse - sooft den eigenen Lebenslauf dem jeweils<br />
gefragten Anforderungsprofil unterschiedlichster<br />
Interessenten immer wieder fast<br />
bis zur Unkenntlichkeit anpassen musste, der<br />
blickt gerne und gelassen noch einmal auf ein<br />
halbes Jahrhundert zurück.<br />
Kein gewünschtes Profil, keine Herausforderungen<br />
die künftig für einen neuen Arbeitgeber ge-<br />
meistert werden sollen, sondern Deine alten<br />
Klassenkameraden wollen wissen, wie Du im<br />
Anschluß an Deine bekannterweise wenig glorreiche<br />
Schulzeit nun den bisherigen Rest Deines<br />
Lebensweges scheinbar doch noch einigermaßen<br />
gut gemeistert hast ... oder eben auch nicht.<br />
Und selbst wenn Du findigen Beratern vielleicht<br />
etwas vorgaukeln kannst, wer mit Dir jahrelang<br />
die Schulbank gedrückt hat, kennt und erkennt<br />
Dich auch nach einem halben Jahrhundert völliger<br />
Kontaktlosigkeit hinter jeder noch so<br />
schönen, liebevoll gestrickten Idealbild-Maske.<br />
Die Jahre vor der Humboldt-Zeit<br />
Vierzehn erlebnisreiche, zum Teil sehr schwere<br />
und bittere Lebensjahre lagen immerhin schon<br />
hinter mir, bevor ich in die für mich neue, heile<br />
Welt des Steeler Humboldt-Gymnasiums dank<br />
großzügigen Entgegenkommens des damaligen<br />
Schulleiters Kindgen durfte, für den am Ende<br />
seines langen Berufslebens die Aufnahme eines<br />
Tertianers mit derart schlechter Beurteilung<br />
seiner vorherigen Schule schon ein besonderer<br />
Gnadenerweis war, und das sogar ohne begleitende<br />
Eltern, während im Nebenzimmer Familie<br />
Groß mit ihren zwei prächtigen, wohl erzogenen<br />
Söhnen und deren blendenden Zeugnissen und<br />
natürlich beiden Eltern saß.<br />
Mein Einwand, daß bei einem blendenden Zeugnis<br />
meine Eltern auch sicherlich mitgekommen wären,<br />
entbehrte für den alterfahrenen Pädagogen<br />
nicht einer auch für ihn recht leicht nachvollziehbaren<br />
Logik. Den mir probeweise zugewiesenen<br />
Platz in der damaligen OIIIb - direkt hinter<br />
Klaus Schlagmann und neben Dieter Wiegel -<br />
konnte ich jedenfalls bis zum Abitur halten und<br />
allen Umsetzungsversuchen zum Trotz verteidigen.<br />
Bevor es zu dieser für mich außerordentlich<br />
glücklichen Konstellation kam, hatte ich – in<br />
Berlin geboren, in Rastenburg nahe der Wolfsschanze<br />
durch die Tätigkeit des Vaters aufgewachsen,<br />
im Nachkriegs-Berlin die Mutter als<br />
junge Witwe für ihre beiden Halbwaisen als<br />
Trümmerfrau Lebensmittelkarten erarbeitend -<br />
selbst sechs verschiedene Schulen zeitweilig<br />
beglückt,. natürlich ausschließlich kriegsbedingt.<br />
Wer ist schon als gerade Achtjähriger an seiner<br />
lichterloh brennenden Schule vorbei zum rettenden<br />
Ufer der Elbe in Dresden geflüchtet<br />
oder hat in dieser schrecklichsten Nacht seines