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Günter Spieß 165<br />

Günter Spieß<br />

Kindheit 1936 -1948<br />

In Märkisch-Buchholz, dem Tor zum Spreewald,<br />

kam ich 1936 auf die Welt. Da mein Vater, Verwaltungsangestellter<br />

bei der Stadt, frühzeitig<br />

Soldat wurde und meine lungenkranke Mutter<br />

bis zum Kriegsende in Sanatorien lebte, betreute<br />

meine ostpreußische Großmutter mich und<br />

meine zwei jüngeren Brüder.<br />

Häufige Luftalarme einschließlich der Bombardierung<br />

unseres Hauses in Bernau bei Berlin, wo<br />

wir damals wohnten, veranlassten sie, mit uns<br />

zwischen Bernau, Elbing/Westpreußen und Lyck/<br />

Ostpreußen-Masuren hin- und herzuziehen. Als<br />

die russische Armee 1944 in Ostpreußen einbrach,<br />

flohen wir über Bernau nach Bayern.<br />

In Hohenknoden bei Bad Berneck kam meine<br />

Mutter wieder zu uns. Nach der Kapitulation<br />

mussten wir als ehemalige Einwohner der nunmehr<br />

sowjetischen Besatzungszone Bayern<br />

verlassen. Meine Großmutter durfte dort bleiben,<br />

weil sie als Vertriebene aus den deutschen<br />

Ostgebieten anerkannt war.<br />

Nur meine Mutter und ich kehrten nach Bernau<br />

zurück. Unsere Wohnung war beschlagnahmt,<br />

Einkommen hatten wir nicht. Wir schliefen auf<br />

Matratzen in einem leeren Zimmer und versuchten,<br />

von „Hamstern“ und „Schwarzhandel“ in<br />

Berlin zu leben. Das ging nicht lange gut. Wir<br />

froren, wurden nie satt, und nachdem meine<br />

Mutter von Russen vergewaltigt worden war,<br />

kehrten wir getrennt im Februar 1946 über die<br />

„Grüne Grenze“ nach Bayern, jetzt nach Kulmbach,<br />

zurück. Dort starb meine Mutter 14 Tage<br />

nach ihrer Ankunft. Wir, d.h. meine Großmutter,<br />

eine Tante, ein Bruder und ich zogen um nach<br />

Marktleugast. Herr Gückel, mein Klassenlehrer,<br />

erreichte es, dass ich die Aufnahmeprüfung am<br />

Kulmbacher Gymnasium machen durfte. Der<br />

Schulbesuch scheiterte jedoch an der Entfernung<br />

vom Wohnort (Transport-, Zeitproblem).<br />

Also machte ich erneut eine Aufnahmeprüfung<br />

für die Bessel-Oberrealschule in Minden/Westfalen<br />

und wohnte dort bei einer Tante.<br />

Jugend 1948 - 1956<br />

1948 wurde mein Vater aus der Kriegsgefangenschaft<br />

entlassen, fand Arbeit als Bergmann in<br />

Essen und heiratete eine 10 Jahre ältere Frau<br />

mit „Wohnung“. Er holte seine Söhne zu sich,<br />

von denen jeder in anderen Verhältnissen aufgewachsen<br />

war. Diese „Familienzusammenführung“<br />

war von vornherein zum Scheitern verurteilt.<br />

Wir lebten zu fünft in einem 4 x 4 m großen<br />

Zimmer, das Küche, Schlafzimmer, Wohnraum<br />

und Waschküche zugleich war und tagsüber noch<br />

zusätzlich von den Enkelkindern meiner nunmehrigen<br />

Mutter „bevölkert“ wurde. Wenn ich dort<br />

Schularbeiten machen wollte, musste ich zwischen<br />

vier und fünf Uhr aufstehen.<br />

Mithilfe im Haushalt über das übliche Maß hinaus,<br />

geforderte Beiträge zum Familieneinkommen<br />

(Sammeln von Altmaterial, Zeitungsaustragen<br />

etc.), Schonen der Bekleidung (d.h. kein<br />

„Ablaufen“ der Schuhsohlen, kein „Schmutzigmachen“<br />

– also kein Spielen) schränkte unsere<br />

Jugendjahre erheblich ein. Hunger hatten wir<br />

immer.<br />

So brachen wir Jungen dann auch immer häufiger<br />

aus (zeitweises Wohnen in einer Gartenlaube,<br />

bei der Freundin, bei Klassenkameraden<br />

etc.), bis ein Junge nach dem anderen endgültig<br />

das Haus verließ. Wie damals viele von uns arbeitete<br />

ich selbstverständlich in den Ferien:<br />

Im Hoch-, Tief- und Straßenbau, in einer<br />

Schreinerei, Schlosserei und Buchdruckerei<br />

habe ich praktische Fertigkeiten erworben (ein<br />

Bergmannsbuch und ein Berichtsheft – Maurer-<br />

Praktikum besitze ich noch). Der Lohn ergänzte<br />

den Verdienst meines Vaters. Obwohl ich in den<br />

meisten Jahren vom Schulgeld befreit war und

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