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Humboldt-Schüler in Flandern 37<br />
ergoß es sich über den Deich in die tiefer gelegene<br />
Stadt hinein. Es zerstörte alles, was ihm in<br />
den Weg kam. Ein Bild der Verwüstung, das war<br />
die Innenstadt, in die hinein die Flut gedrungen<br />
war. Sand lag auf den aufgerissenen Straßen.<br />
Bürgersteige waren unterspült worden und eingesunken.<br />
Je mehr wir uns der Küste näherten,<br />
um so schlimmer wurde das Bild, das wir. sahen,<br />
Fußhoch waren die Straßen verschlammt.<br />
Aus den Kellern wurde das Wasser gepumpt.<br />
Eine schmutzige, schlammige Masse ergoß sich<br />
aus den Pumpenschläuchen auf die Fahrbahnen.<br />
Die Menschen, Frauen und Männer, Kinder und<br />
alte Leute, schleppten in Eimern Unrat und<br />
verdorbene Sachen aus den Kellern, Berge von<br />
ungenießbaren Kartoffeln und allerlei Gerümpel<br />
lagen auf den Straßen. Die Schaufenster der<br />
Geschäfte waren eingedrückt worden, und das<br />
Wasser war in die Läden eingedrungen, Die Waren<br />
waren teilweise verdorben, und alles lag auf<br />
der Straße. Ein Bild schlimmster Verwüstung!<br />
Die Fenster waren nur mit· Brettern notdürftig<br />
verschlossen. Das sonst von Lebenslust erfüllte<br />
Seebad war ausgestorben. Tiefe Trauer lag über<br />
der Stadt, denn hier hatte die Flut auch ihre<br />
Todesopfer gefordert. Aber die Flut zog noch<br />
andere Gefahren nach sich. Seuchen folgten, die<br />
alle Einwohner in Schrecken hielten. So war der<br />
Eindruck, den wir mitnahmen, nicht geprägt<br />
durch das "Weltbad" Ostende, sondern durch<br />
die drohend lauernde See, die Verwüstung und<br />
die Not und das Elend der Stadt.<br />
Fort Loncin<br />
Klaus Pillokat (UIIz)<br />
"Silence! Silence!" so tönte uns eine Stimme entgegen,<br />
als wir durch den gedrungenen Betontorbogen<br />
traten, es ist eine dunkle, mächtige Betonwölbung,<br />
von deren grün bemooster Decke<br />
das Wasser in gleichmäßigem Takt herabtropft.<br />
Im weiten Innenhofe empfängt uns eine ältere<br />
Eingang und zerstörte Haubitze in Fort Loncin<br />
Dame. Der Hof wird an der einen Seite von einer<br />
langen Mauer gegen die breite Böschung abgrenzt.<br />
Ihr gegenüber liegt ein weit gestreckter,<br />
grauer Betonbau mit verödeter Fassade.<br />
Eine mittelalterliche Kanone steht auf einem<br />
schmalen Grünstreifen und erinnert an den<br />
Zweck dieses Gebäudes. Es war eine Festung.<br />
"Dort fanden zu Beginn des ersten Weltkrieges<br />
550 Soldaten den Tod", erklärt die grauhaarige<br />
Dame und zeigt mit der rechten Hand, an einem<br />
niedrigen Baum vorbei, hinüber auf einige gewaltige<br />
Betonklötze. Wir steigen einen Hügel hinauf<br />
und blicken in einen Granattrichter - er ist etwa<br />
fünf Meter tief und zehn Meter im Durchmesser.<br />
An seinem Boden hat sich Wasser gesammelt,<br />
und an seinem Rande reckt eine einsame<br />
Birke ihre Krone in die Höhe. Damals verteidigten<br />
die wackeren Soldaten hier mitten im Munitionslager<br />
die hundert Meter entfernt liegende<br />
Straße zwischen Lüttich und Brüssel, als eine<br />
Granate der deutschen Artillerie einschlug und<br />
sie alle bis auf wenige unter den berstenden<br />
Betonmassen lebendig begraben wurden. Jetzt<br />
liegen die bis zu vier Meter dicken künstlichen<br />
Felsbrocken, gegeneinander eingekeilt, ruhig und<br />
unheimlich da, sie halten die zertrümmerten<br />
Schädel und zerbrochenen Knochen für immer in<br />
ihrem kalten Gestein fest. Die Reste von tonnenschweren,<br />
automatischen Geschützen starren,<br />
auf dem Kopfe stehend und mit einer dicken<br />
Rostschicht überzogen, in den Himmel.<br />
Der Mensch hatte diese Festung gebaut, der<br />
Mensch hat sie wieder zerstört. Nun erobert<br />
die Natur sie wieder zurück. Langsam rücken die<br />
Bäume und Sträucher die Abhänge näher herauf,<br />
und fügen die mit magerem Grün über wucherten<br />
Ruinen in die Landschaft ein.<br />
Zum Schluß führt uns die Dame an eine bronzene<br />
Gedenktafel, auf der die Namen der Gefallenen<br />
- auch der ihres Gatten - verzeichnet<br />
sind. Als letztes Erinnerungs- und Warnzeichen<br />
erhebt sich vor diesem Friedhof ein hohes,<br />
schlankes Denkmal, das weithin sichtbar ist, mit<br />
folgender Aufschrift:<br />
AUX HEROS DE LONCIN<br />
MORTS POUR LA PATRIE<br />
- 15 AOUT 1914 -<br />
CE FORT EN RUINES<br />
EST LEUR TOMBEAU.<br />
Olaf Falkenhagen (UIIa)