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Wilfrid Braß 83<br />
Manchmal half mir beim Abhaken und Geldzählen<br />
mein Nebenmann Mister Braun.<br />
Nebenmann und Nebenfrau<br />
Bei dem Wort „Nebenmann“ stoße ich auf etwas,<br />
wonach eine bislang herrschende Meinung<br />
ins Wanken geraten könnte. Seinerzeit nannten<br />
wir den Nebenmann auch scherzhaft „Nebenfrau“.<br />
Dahinter verbarg sich nichts Arges. Es<br />
war nur eine Lust an gegensätzlichen Umkehrungen<br />
von Sprachbildern, etwa wie Raufbold<br />
und Runterbold.<br />
Im Lichte heutiger Erkenntnisse könnte<br />
man/frau hier aber bereits den Ursprung für<br />
die Auflösung männlich dominierter Sprachstrukturen<br />
sehen. Das unbewusste Verlangen in<br />
einer reinen Jungenschule nach einer Mitschülerin<br />
könnte dazu gedrängt haben, wenigstens<br />
den Mangel an sprachlicher Ausdrucksform für<br />
ein Mädchen als Nebenmann zu überwinden.<br />
Alsdann müsste korrigiert werden, dass die rein<br />
sprachliche Gleichbehandlung von Mann und<br />
Frau nicht bei den erst viel später in der Gesellschaft<br />
aufbrechenden feministischen Strömungen,<br />
sondern bereits von Jungen in einer<br />
Jungenschule ihren Ausgang nahm. Und das<br />
schon zu einer Zeit, als man noch „Frau Studienrat<br />
Schuster“ sagen durfte, die allerdings<br />
Wert darauf legte, „Fräulein Schuster“ genannt<br />
zu werden.<br />
Reif für Sexta<br />
Bei meinen Ausgrabungen kam auch eine seltene<br />
Urkunde zum Vorschein, wie sie in späterer<br />
Zeit nicht mehr aufgefunden worden ist. Auf<br />
dem Zeugnis der IV. Klasse einer Volksschule<br />
wird die Reife für die Sexta besiegelt. Das<br />
beweist, dass für den Übergang ins Gymnasium<br />
früher das Bestehen einer Aufnahmeprüfung an<br />
derselben Schule erforderlich war.<br />
Diese Prüfung war die erste Hürde auf unserem<br />
Lebensweg. Es waren Rechenaufgaben schriftlich<br />
zu lösen, ein Diktat und eine Nacherzählung<br />
mit selbst erfundenem Schluss zu schreiben.<br />
„Vorsicht Glatteis!“ hieß die Überschrift. Der<br />
Inhalt: ein Pferdefuhrwerk war auf schneeglatter<br />
Straße unterwegs. Solch ein Vorgang war zu<br />
der gegebenen Zeit - der Prüfungstermin lag<br />
Wochen vor Ostern, dem allgemeinen Schulbeginn<br />
- für alle ein anschauliches Geschehen. Es<br />
gab noch Transporte mit Pferd und Wagen und<br />
Winter mit wochenlangem Schnee auf den<br />
Straßen.<br />
Nach bestandener Aufnahmeprüfung ging der<br />
Hürdenlauf über eine lange Strecke weiter:<br />
Sexta, Quinta, Quarta, Untertertia, Obertertia,<br />
Untersekunda, Obersekunda, Unterprima,<br />
Oberprima, begleitet von Sonne und Regen -<br />
und mit stellenweise Glatteis.<br />
Einst Klassenarbeiten - heute Klausuren<br />
Nach unserer Schulzeit hat sich einiges verkehrt.<br />
Inzwischen zählt man die Jahrgänge<br />
umgekehrt und in Deutsch: 5. bis 13. Klasse.<br />
Der Schulwechsel liegt nach den Sommerferien.<br />
„Vorsicht Stau!“ wäre dann ein ähnlich anschauliches<br />
Thema für eine Aufnahmeprüfung gewesen.<br />
„Viel Erfolg!“ lese ich auf dem mit Computer<br />
gestalteten Aufgabenzettel, den mir meine<br />
Enkelin nach ihrer Klausur im 3. Schuljahr<br />
zeigt. (Die erste Klausur in meinem Leben habe<br />
ich im 3. Semester Jura verfasst.)<br />
Unsere Aufgaben bei den Klassenarbeiten wurden<br />
noch im Abitur an die Tafel geschrieben.<br />
Da blieb für gute Wünsche kein Platz mehr.<br />
Und für alles haben wir (unsere Eltern) noch<br />
bezahlt. Das Schulgeld entfiel erstmals in dem<br />
Schuljahr nach unserem Abitur.<br />
Ausflug mit Medizinbällen<br />
Wer erinnert sich noch an unsere erste Klassenfahrt<br />
mit Herrn Mellmann? Ein Tagesausflug<br />
mit dem Zug an den Halterner See. Wir<br />
schleppten zwei dicke Medizinbälle mit uns, die<br />
wir abwechselnd tragen durften.