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Wilfrid Braß 81<br />
Wilfrid Braß genannt Willi<br />
1947-1953 Klasse a<br />
1953-1956 Klasse b<br />
1947 -Ausgrabungen – 1956<br />
Als ich vor 25 Jahren zusammen mit meiner<br />
Frau von Pinneberg nach Essen zu unserem damaligen<br />
Abiturjubiläum fuhr, hatten wir unsere<br />
beiden Kinder das erste Mal für mehrere Tage<br />
allein gelassen.<br />
Wir telefonierten täglich, um zu wissen, ob<br />
alles in Ordnung ist. Sie fanden das nicht nötig.<br />
Heute sind sie aus dem Haus. Wenn wir jetzt<br />
verreisen, rufen sie nun an und fragen, ob wir<br />
gut angekommen sind und wie es uns geht. Ich<br />
meine, insoweit besteht noch kein Grund zur<br />
Sorge. Wir leben gesund und zufrieden unseren<br />
Ruhestand - und ich freue mich auf unsere<br />
gemeinsame Feier von 50 Jahre Abitur.<br />
Zeugnis der Steine<br />
Mit einigen Ausgrabungen möchte ich gerne<br />
meinen Beitrag zu unserem Jubiläum leisten.<br />
Später könnte sonst manches davon für immer<br />
verschüttet bleiben.<br />
Auf der Suche nach der alten Hammaburg (845<br />
im Wikingereinfall zerstört) stieß man kürzlich<br />
in Hamburg bei Ausgrabungen auf Fundamente<br />
des einstigen Schulgebäudes des Johanneum-<br />
Gymnasiums (gegründet 1611). Einige Ziegel<br />
sollen auf dem neuen Schulgelände aufbewahrt<br />
werden.<br />
Als ich das in der Zeitung las, empfand ich -<br />
gerade auch im Blick auf unser Abiturjubiläum -<br />
doch etwas Wehmut darüber, dass sogar noch<br />
zwei Gebäude, in denen wir lernten, unversehrt<br />
dastehen - das Carl-Humann-Gymnasium, das<br />
wir uns in wöchentlich wechselndem Vor- und<br />
Nachmittagsunterricht teilten und unser neues<br />
Gebäude, wo wir die ersten Abiturienten waren<br />
- dass es unsere Humboldt-Schule aber gar<br />
nicht mehr gibt.<br />
Als Schüler hatte ich sie eigentlich für herausragend<br />
gehalten. Das fand seine Bestätigung,<br />
als unser Gymnasium (von der Stadt Essen) als<br />
erstes nach dem Krieg wieder neu aufgebaut<br />
wurde. Ich meine, es ging seinerzeit um den<br />
Vorrang Helmholtz oder Humboldt. Die Entscheidung<br />
der Stadt fiel selbstverständlich für<br />
die Humboldt-Schule.<br />
Humboldter vor dem ersten Schultag<br />
Wahrscheinlich war ich aber schon Humboldter,<br />
als ich noch gar nicht zur Schule ging. Es muss<br />
vor 1943 gewesen sein. Damals durfte ich schon<br />
mal meinen großen Bruder auf seinem Schulweg<br />
ein Stück begleiten. Es ging von Nähe Steinplatz<br />
durch die Heinickestraße an dem alten<br />
Helmholtz-Gymnasium vorbei, weiter an der<br />
rückwärtigen Friedhofsmauer des Friedhofs an<br />
der Freiheit entlang, durch den dunklen Gildehof-Tunnel<br />
bis zum Steeler Tor, wo gleich hinter<br />
der Synagoge die alte Humboldt stand.<br />
Dort wollte ich auch einmal zur Schule gehen.<br />
Durch den Krieg kam es ganz anders. Ich verließ<br />
das Zuhause mit der Kinderlandverschickung.<br />
Mein Bruder wurde als Luftwaffenhelfer<br />
eingezogen. Meine Eltern wurden ausgebombt<br />
und erhielten eine sogenannte Notwohnung in<br />
Kray zugewiesen. - Erst viele Jahre später<br />
erwuchs die kriegszerstörte Stadt wieder neu.<br />
Aber der alte Schulweg, die alte Helmholtz,<br />
der alte Friedhof, der alte Tunnel, die alte<br />
Synagoge, die alte Humboldt -es gab sie nicht<br />
mehr.