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Christian Pukowski 151<br />

Christian Pukowski<br />

Kindheit in Danzig (1935 – 1945)<br />

Als am frühen Morgen des 1. September 1939 in<br />

meiner Heimatstadt Danzig das deutsche Schiff<br />

„Schleswig Holstein“ das Feuer auf die polnische<br />

Westerplatte, die nur 2000 m von unserem Haus<br />

entfernt war, eröffnete und so den 2. Weltkrieg<br />

auslöste, gingen nicht nur unsere Fensterscheiben<br />

zu Bruch.<br />

Meine Mutter rief voller Panik in unser Kinderzimmer:<br />

„Kinder, aufstehen und in den Keller, es<br />

ist Krieg!“<br />

Für mich begann damit auch der Anfang des<br />

Endes einer bis dahin wohlbehüteten Kindheit.<br />

Als Sohn eines Dipl.-Ing., der im Danziger Hafen<br />

eine Führungsposition bekleidete und einer Mutter,<br />

deren Eltern in Ostpreußen einen großen<br />

Bauernhof besaßen, ging es mir bis dahin in jeder<br />

Hinsicht sehr gut.<br />

Obwohl mein Vater als Reserveoffizier von Beginn<br />

des Krieges an Soldat war, verlebten meine<br />

Mutter, meine Schwester und ich noch ein paar<br />

friedliche Jahre. Die Sommerferien verbrachten<br />

wir in Ostpreußen. Es waren glückliche Kindheitsjahre<br />

auf dem Land.<br />

Das änderte sich Anfang 1945 ganz dramatisch.<br />

Die Rote Armee überrannte Ostpreußen, und<br />

Danzig war eingeschlossen. Die Front rückte<br />

jeden Tag hörbar näher, und meine Mutter<br />

musste sich entscheiden: bleiben und vielleicht<br />

sterben – oder fliehen.<br />

Sie entschied sich trotz der großen Risiken kurz<br />

nach dem Untergang der „Wilhelm Gustloff“ mit<br />

über 5000 Toten für die Flucht über die Ostsee.<br />

An einem trüben Februartag verließ unser<br />

Schiff den Danziger Hafen – den ich erst 50<br />

Jahre später wieder sehen sollte – mit Kurs auf<br />

Lübeck, das wir fünf Tage später trotz aller<br />

Gefahren gesund erreichten.<br />

Jugend in Erfurt (1945 – 1949)<br />

Nach einer abenteuerlichen Fahrt quer durch<br />

Deutschland mit Tieffliegerangriffen, Hunger<br />

und besonders Durst kamen wir nach einer Woche<br />

total erschöpft in Erfurt an. Hier hatte<br />

mein Onkel, der dort Direktor des TÜV war, ein<br />

relativ großes Zimmer für „seine Flüchtlinge aus<br />

Danzig“ frei gehalten.<br />

Wir glaubten uns nun in Sicherheit – aber es<br />

kam ganz anders! Weil die V2-Raketen von<br />

Nordhausen über Erfurt an die Abschussrampen<br />

transportiert wurden, begann ein intensiver<br />

Bombenkrieg der Alliierten. Fast jeden Abend<br />

gegen 20 Uhr heulten die Sirenen – wir stürzten<br />

in den Keller – und nach einigen Minuten prasselten<br />

die Bomben auf uns herab. Aber es sollte<br />

zuerst noch gut gehen. Schließlich wurden auch<br />

wir in den letzten Kriegstagen durch eine Luftmine<br />

– die nur etwa 10 Meter von uns im Nachbarkeller<br />

explodierte – beinahe getötet.<br />

Im April marschierten die Amerikaner nach<br />

kurzem Kampf in Erfurt ein, und wir waren froh,<br />

dass dieser unselige Krieg endlich zu Ende war.<br />

Die amerikanischen Soldaten – meist Farbige –<br />

waren zu uns Kindern sehr freundlich. Sie<br />

schenkten uns Schokolade, Büchsen mit Corned<br />

Beef und natürlich Kaugummis. So vergaßen wir<br />

schnell das uns eingebläute Feindbild, sehr zum<br />

Ärger meines Onkels, der meinte: „Man nimmt<br />

nichts von Feinden!“ Ich nahm (heimlich)!<br />

Zu unserem Entsetzen zogen sich die Amerikaner<br />

jedoch nach zwei Monaten wieder zurück<br />

und die „Russen“ kamen mit allen allseits bekannten<br />

Begleitumständen. – Wir lebten jetzt in<br />

der Sowjetischen Besatzungszone!<br />

Die ersten zwei Jahre nach dem Krieg waren<br />

schrecklich. Wir hatten nichts anzuziehen, hungerten<br />

immer und froren im Winter erbärmlich.<br />

„Schule“ fand nur hin und wieder statt; als sie<br />

wieder losging, wurde mir „aufgrund meiner akademischen<br />

Herkunft“ der Zugang zum Gymnasium<br />

verwehrt, und ich durchlief die Grundschule.

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