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Zehn gute Gründe 15<br />
Zehn gute Gründe,<br />
im Ruhrpott zu leben<br />
von Jens Feddersen (NRZ)<br />
1. Der Menschen wegen - und nochmals der<br />
Menschen wegen! Wenn man nicht in Berlin<br />
leben kann, kann man nur im Ruhrgebiet leben<br />
- sagt Günter Grass. Es stimmt. Und Max von<br />
der Grün: „Heimat ist dort, wo es einem<br />
leicht gemacht wird, mit Menschen zu reden.“<br />
Eben! Das ist es!<br />
2. Der Menschen und der<br />
Zeitungen wegen! Das<br />
Revier hatte damals wie<br />
heute eine lebendige,<br />
aktive, dynamische, konkurrenzbetonteZeitungslandschaft.Keineswegs<br />
provinziell,<br />
nicht muffig und nicht<br />
miefig. Natürlich bezogen<br />
auf die Menschen<br />
am Rhein und an der<br />
Ruhr. Großartige Chancen<br />
für junge Leute, die<br />
nicht nach Freizeit und<br />
Pension fragten, sondern<br />
Stories machen<br />
wollten.<br />
3. Der Menschen und der Landschaft wegen!<br />
Das Ruhrgebiet ist nicht nur Schmutz, Dreck,<br />
Gas und Staub. Bitte differenzieren! Das<br />
Revier hat grüne Flächen, um die Hamburg<br />
uns beneidet. Nehmen wir die Ruhr: Über zig<br />
Kilometer ist sie eine Mini-Elbe in der Höhe<br />
von Blankenese. Ja, so ist es - nur glauben es<br />
zu wenige.<br />
4. Der Menschen und der Politik wegen! Nicht<br />
nur das klassische Revier, sondern die<br />
Stadtlandschaft Rhein/Ruhr ist eine politisch<br />
intakte, in sich geschlossene, durch und durch<br />
demokratische Region. Keine Pendelschläge,<br />
nicht ultralinks und nicht ultrarechts, keine<br />
„Spinner“, sondern Realisten. Keine Krawalle,<br />
keine „Spontis“, kaum „Grüne“.<br />
5. Der Menschen und der Offenheit wegen! Das<br />
ist wohl der Kern: Hier fragt niemand, woher<br />
man kommt, wohin man geht. Hier will man<br />
wissen, was einer leistet, ob er zupackt, ob er<br />
etwas bewegt, ob er mitreißt, ob er motiviert<br />
(das Wort gab es vor 25 Jahren noch nicht.<br />
Damals sagte man: Ob jemand andere<br />
begeistern kann ...). Niemand will wissen, ob<br />
man „Flüchtling“ ist, ob „Vertriebener“, ob<br />
von „drüben“ abgehauen, ob Ausweis B oder C,<br />
ob über die grüne Grenze „gemacht“, damals<br />
noch Zonengrenze genannt - und niemand<br />
fragt im „Pott“ nach der Konfession. Das ist<br />
Ruhrgebiet! Nie ist es anders gewesen.<br />
6. Der Menschen und der Kneipen wegen! Nirgendwo<br />
gibt es so heimelige Tresen wie in den<br />
Kneipen an der Ruhr (das stimmt zwar nicht,<br />
hat man Berliner Tresen im Kopf, aber man<br />
bildet es sich eben ein). Wohl deshalb, weil<br />
das Bier, das hier gebraut wird, so gut<br />
schmeckt wie nirgendwo. Das liegt an und in<br />
der Luft, auch am Staub. Verglichen mit<br />
westfälischem Bier, wird in München Brause<br />
hergestellt, kein Bier ...<br />
7. Der Menschen und der Freizeit wegen! Ich<br />
bin zwar nicht in zwei Stunden auf Sylt, aber<br />
in Amsterdam und in Brüssel und in knapp<br />
einer Stunde am platten Niederrhein, im<br />
stillen Sauerland - und Bonn nicht zu vergessen!<br />
Knapp 60 Minuten von Essen.<br />
8. Der Menschen und der Städte wegen! Zwölf<br />
Großstädte im Umkreis von 30 Minuten! Das<br />
heißt leben können. Mit allem, was Städte<br />
bieten, die miteinander konkurrieren.<br />
9. Der Menschen und der vielen Vorurteile wegen,<br />
von denen kaum noch eines stimmt! Essen<br />
zum Beispiel hatte vor 15 Jahren noch 14<br />
Zechen. Heute eine, im Jahr 81 keine. Längst<br />
ist Essen auch die Stadt der großen<br />
Dienstleistung - aber wer weiß das? Und wer<br />
ahnt, daß Essen eine der großen deutschen<br />
Zeitungsstädte ist? Hamburg, sagen die Kollegen,<br />
und sie denken an München, wo sie noch<br />
Geld mitbringen müssen, um dort arbeiten zu<br />
dürfen ... Nein, weder Hamburg noch<br />
München. Jeder fünfte deutsche Zeitungsjournalist<br />
arbeitet im Rhein-Ruhr-Gebiet.<br />
Tatsache.<br />
10. Der Menschen und - ja, der Straßen willen!<br />
Ein Widerspruch? Nein. Vor Jahren sagte ein<br />
Zeitgenosse, der in Essen das Flair einer<br />
Weltstadt vermißte, das schönste an dieser<br />
Ruhrstadt sei die Autobahn nach Düsseldorf.<br />
Nun gut, aber jede Autobahn hat zwei Spuren<br />
hin und zwei zurück. Das ist es, was den<br />
„Pott“ so liebenswert macht. Man drängt<br />
raus, man kommt gern zurück ...