30.01.2013 Aufrufe

pdf-Datei

pdf-Datei

pdf-Datei

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Franz-Josef Helten 115<br />

Franz-Josef Helten<br />

Frühe Kindheit und Krieg.<br />

Ich gehöre einer Generation an, die alle möglichen<br />

Schicksale, die einem Land widerfahren<br />

können, miterlebt hat. Wir waren Gott sei Dank<br />

zu jung, um im Krieg an den Fronten verheizt zu<br />

werden, aber alt genug, um den Krieg mitzuerleben,<br />

wenn auch kindliche Naivität uns vor dem<br />

Begreifen seines ganzen Ausmaßes beschützte.<br />

Ich erinnere mich an Tage meiner frühen Kindheit,<br />

an denen die Sirenen heulten und die Erwachsenen<br />

uns erklärten, sie würden nur ausprobiert<br />

und wir brauchten keine Angst zu haben.<br />

Dann wurde es irgendwann Ernst und man<br />

erklärte uns, bei welchem Ton wir, wo immer wir<br />

auch gerade seien, in den Keller müßten.<br />

Und dann kamen sie, die britischen Bomber. Erst<br />

nur nachts. - Es war immer das gleiche. Unter<br />

dem Heulen der Sirenen funkelte im Dunkeln<br />

eine Taschenlampe und ich hörte die Stimme<br />

meiner Mutter: „ Steh auf, wir müssen in den<br />

Keller“. Kurze Zeit darauf, erste Einschläge,<br />

erzitternde Wände, Kalkstaub in der Luft wie<br />

Nebelschwaden, flackerndes Licht und laut betende<br />

Frauen. Wenn die Einschläge besonders<br />

heftig waren, schrieen manche ihre Gebete laut<br />

heraus, was mich dann noch mehr ängstigte.<br />

Wir Kinder lagen in sogenannten Luftschutzbetten<br />

und meine Mutter legte immer wieder ihre<br />

Hand beruhigend auf uns. Die Heultöne der Sirenen<br />

wurden zu Melodien des Krieges, die etwas<br />

Fürchterliches ankündigten und Angst<br />

machten. Ein Anklang solcher Gefühle schwingt<br />

auch heute noch in mir, wenn ich sie höre. Der<br />

langgezogene helle Ton der Entwarnung wirkte<br />

und wirkt auch heute noch auf mich erlösend<br />

und befreiend.<br />

Rückblickend habe ich aber auch die Erfahrung<br />

gewonnen, daß Kinder in vielen bedrückenden<br />

Lebenssituationen erstaunlich schnell zu ihrer<br />

eigenen unbekümmerten Welt zurückfinden.<br />

Sonst wäre es nicht zu erklären, daß wir nach<br />

den immer häufiger und heftiger werdenden<br />

Bombenangriffen morgens nicht schnell genug<br />

auf die Straße kommen konnten, um Bombensplitter<br />

zu suchen und zu sammeln, begehrte<br />

Trophäen, die bald eine Rangordnung erhielten,<br />

je nach Größe, Form und Material und wie<br />

Briefmarken in der Schule getauscht wurden.<br />

Material, aus denen die Monster gemacht waren,<br />

die uns nachts in Angst und Schrecken versetzt<br />

hatten.<br />

Nach dem verheerenden Angriff auf Essen am<br />

5.3.43 flohen wir zuerst nach Pfaffstätten bei<br />

Wien und begaben uns danach wegen des drohenden<br />

Zusammenbruchs der Ostfront nach<br />

Sommerseil bei Höxter an der Weser. Hier fanden<br />

wir Ruhe, der Krieg war weit weg. Wir lebten<br />

einfach, aber ohne Angst und lernten in kargen<br />

Verhältnissen, daß Lebensfreude nicht von<br />

materieller Fülle abhängt.<br />

Endzeit und „Stunde 0“<br />

Im März 1945 kam ich zur HJ. Als Pimpfe machten<br />

wir vormilitärische Übungen und erfuhren<br />

von der Geheimwaffe des Führers für den unmittelbar<br />

bevorstehenden Endsieg. Wir freuten<br />

uns riesig auf die versprochenen Uniformen mit<br />

Koppel und Seitengewehr, weil wir uns dann wie<br />

Soldaten fühlen konnten.<br />

Wir waren so im militärischen Denken verhaftet,<br />

daß einige ältere Jungen bitterlich weinten,<br />

als sie nicht zum Volkssturm durften, der letzten<br />

Wahnsinnsidee einer völlig durchgeknallten<br />

politischen Führung. Wir hatten keine Ahnung<br />

davon, daß die feindlichen Truppen schon ganz

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!