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188 Hans Wuttke<br />
Langeweile? – Kenn‘ ich nicht!<br />
Geboren wurde ich unmittelbar neben dem Essener<br />
Hauptbahnhof am letzten Januar-Sonntag<br />
1936 im Huyssen-Stift; das damals dort stand,<br />
wo später an der Freiheit das Hochhaus für die<br />
heutige Postbank errichtet wurde.<br />
Mit Enkeln Johannes ↑ und Franziska ↓<br />
Eine Zufallsbekanntschaft<br />
Mit der Information, einige (Volks-)Mitschüler<br />
hätten bald Aufnahmeprüfung für das Gymnasium,<br />
überraschte ich irgendwann meine Eltern.<br />
Sie hatten keine Ahnung, dass es einen bereits<br />
verstrichenen Termin gab, zu dem man seinen<br />
Sprössling für diese Prüfung hätte anmelden<br />
müssen. Meine Mutter marschierte daraufhin<br />
schnellstens mit mir (wir wohnten damals in<br />
Steele) zum nächstgelegenen Gymnasium, also<br />
zur Humann, um das Versäumte nachzuholen.<br />
Doch der Direktor bedauerte; er habe keinen<br />
Platz mehr, aber es gebe da noch eine andere<br />
Schule im gleichen Gebäude ... So kam ich letztlich<br />
aus reinem Zufall zu einer Schule, deren<br />
Existenz weder mir noch meiner Familie bis zu<br />
diesem denkwürdigen Tag bekannt war.<br />
Steele-Süd - Rellinghausen und zurück<br />
Das letzte Volksschul-Schuljahr verbrachte ich<br />
auf der Ardeyschule in Rellinghausen, da wir bei<br />
der Heimkehr nach Essen zunächst in Stadtwald<br />
wohnten. Bei Fräulein Stier, dort saß damals<br />
auch Helmut Klitsch, habe ich viel gelernt. Ich<br />
hatte zuvor sechs verschiedene Volksschulen in<br />
Österreich und Württemberg besucht; bedingt<br />
durch die Kriegsereignisse waren wir fast sechs<br />
Jahre unterwegs. 50 Fehler im Diktat waren vor<br />
Klasse 4 mein Standard.<br />
Mit der Eisenbahn fuhr ich täglich von Steele-<br />
Süd nach Rellinghausen und zurück, oft zusammen<br />
mit Klaus Schlagmann und Hans Magoley,<br />
die damals schon auf der Humboldt waren und<br />
den kleinen Viertklässler nicht beachteten.<br />
Kinderlandverschickung, Evakuierung<br />
Mein Vater wurde am ersten Kriegstag als Arzt<br />
eingezogen; nun war meine Mutter mit zwei, bald<br />
aber mit drei Kindern alleinerziehend und begleitete<br />
als Ärztin Essener Schulen in die Kinderlandverschickung.<br />
Wir waren zunächst in der Tschechei, dann in<br />
Österreich. Als Stalingrad fiel, war meine Mutter<br />
davon überzeugt, der Krieg sei verloren und<br />
Österreich würde den Russen in die Hände fallen;<br />
sie war offensichtlich weitsichtiger als viele<br />
Zeitgenossen. Wir zogen schnellstens nach Westen,<br />
zuerst nach Biberach, dann nach Balingen.<br />
Als es auch dort Luftangriffe gab, zogen wir in<br />
ein Dorf auf der Schwäbischen Alp.<br />
Während seines Heeresdienstes las mein Vater<br />
Bücher über gesunde Ernährung. Als „Onkel<br />
Vati“ – so nannte ihn meine kleine Schwester -<br />
auf Urlaub bei uns war, kündigte er dann an:<br />
„Wenn der Krieg einmal vorbei ist und man<br />
wieder alles kaufen kann, werden wir uns nur<br />
noch gesund ernähren.“ Ich hoffte im Stillen,<br />
der Krieg möge noch möglichst lange dauern!