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128 Frieder Kluckhohn<br />
passte mit seinem Glauben nicht zusammen.<br />
Ich wusste das, trat trotzdem immer wieder<br />
ins Fettnäpfchen. Mit ihm als Klassenlehrer<br />
hätte ich das Abi nie geschafft.<br />
Aber wir hatten ja zu meinem Glück „Papa<br />
Walke“ in der Oberstufe als Klassenlehrer<br />
und der hatte viel Verständnis für seine<br />
Jungs: „Herrschaften, Herrschaften“, das<br />
war immer seine Einleitung, wenn „seine“<br />
Klasse wieder mal was ausgefressen hatte.<br />
Und irgendetwas lief bei uns immer.<br />
Auf Klassenfahrten ganz besonders. Die<br />
„100 m-Zone“, der „Glöckner von Urpha“,<br />
Meudon und die rue St. Denis in Paris und<br />
nicht zu vergessen: Madrid, ein Hotel für<br />
acht von uns, alleine, ohne Aufsicht und<br />
ohne Ausgangssperre.<br />
Wir saßen noch nicht ganz im Bus nach Toledo,<br />
da war Herr Studienrat Walke schon<br />
neben mir und wollte wissen, was wir alles so<br />
getrieben haben. „Ich darf das ja leider<br />
nicht“, war sein Kommentar.<br />
Wir waren eine tolle Klasse - einer für alle<br />
und alle für einen - auf uns war das Sprichwort<br />
zugeschnitten. Ich bin gerne zur<br />
Schule gegangen.<br />
Und dann waren da noch „Päule Huber<br />
(Französisch und Sport), Möbs (Englisch<br />
und Geschichte) und unser Lateinlehrer<br />
(dem haben wir übel mitgespielt), seinen und<br />
die Namen der anderen habe ich vergessen.<br />
Möbs, der uns vor Weihnachten seine<br />
Kriegserlebnisse schilderte und so darstellte,<br />
als wäre der Krieg ein großes Abenteuer.<br />
Na ja, unsere Lehrer waren alle<br />
Kriegsteilnehmer, die konnten oder wollten<br />
vielleicht die Wirklichkeit der Nazi-Zeit<br />
nicht wahrhaben, jedenfalls wurde die<br />
jüngste deutsche Vergangenheit „vom Unterricht<br />
befreit“.<br />
In meinem Elternhaus wurde darüber auch<br />
nicht gesprochen und ich habe nicht gefragt.<br />
Angst vor der Wahrheit?<br />
20 Jahre später hat Heidi mein Geschichtsbewusstsein<br />
aufgerüttelt. Sie war<br />
damals Stern-Redakteurin. Wir wohnten<br />
zusammen. Ich war nach sieben Jahren Ehe<br />
von meiner ersten Frau geschieden. Heidi<br />
wurde 1982 meine zweite. Wir sind jetzt 31<br />
Jahre zusammen und immer noch glücklich.<br />
1974, als ich sie kennen lernte, in der Sauna<br />
- nein, nicht da, sondern im Aufenthaltsund<br />
Ruheraum (zwei Damen und ein Herr<br />
suchten jemand zum Doppelkopf, als begeisterter<br />
Kartenspieler ließ ich mich nicht<br />
zweimal fragen) - war meine Selbstständigkeit<br />
als Architekt gescheitert. Die Rezession<br />
72-73 hatte meinen Partner und mich<br />
voll erwischt, alle Aufträge wurden storniert<br />
oder verschoben.<br />
Ich war noch das erste Mal verheiratet,<br />
seit 1966 und hatte eine sechs-jährige<br />
Tochter.<br />
Frau und Kind sollten ernährt werden, also<br />
musste ich mir einen Job suchen.<br />
Ab 1.1.74 war ich „Referent für Architektur<br />
und Städtebau im Bundesverband der Deutschen<br />
Zementindustrie“. Zum ersten mal in<br />
meinem Leben Angestellter: geregelte Arbeitszeit,<br />
pünktlich Feierabend, 13 Gehälter,<br />
Dienstwagen und eigene Sekretärin.<br />
Das mit der geregelten Arbeitszeit und<br />
dem pünktlichen Feierabend hat sich bald<br />
als Trugschluss herausgestellt. Die Industrie<br />
bezahlt zwar Ihre leitenden Mitarbeiter<br />
gut, aber Arbeitszeit und Feierabend sind<br />
kein Thema, höchstens ein Kündigungsgrund.<br />
Dafür aber war der Aufgabenbereich hoch<br />
interessant, sehr abwechslungsreich, und<br />
vor allem eigenständig. Zement musste ich<br />
nicht verkaufen, Lehre und Beratung waren<br />
meine Tätigkeitsfelder, alles hoch wissenschaftlich<br />
und ich tourte kreuz und quer<br />
durch Deutschland und teilweise auch durch<br />
Europa. Vorher allerdings musste ich viel<br />
dazu lernen, die ganze Zementchemie, die<br />
Betontechnologie und später auch die Bauphysik.<br />
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