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Werner Trösken 173<br />
Werner Trösken<br />
Als ich mit meiner Arbeit fertig und Heribert<br />
schon auf dem Weg zu mir war, um die <strong>Datei</strong> zur<br />
Druckerei zu bringen, kam ein dicker Brief von<br />
Werner. Mir blieb nur noch die Möglichkeit,<br />
Werners Bericht zu scannen und Teile davon –<br />
ohne Garantie für Scan-Fehler – einzufügen.<br />
Hans Wuttke<br />
Ich bin gerade dabei, Erzählungen und Berichte<br />
meiner Eltern und eigenes Erleben für meine<br />
Töchter und Enkel schriftlich festzuhalten. Da<br />
gibt es so viel Schönes und Schreckliches, Lus-<br />
tiges und glückhaftes Davonkommen, dass es<br />
jammerschade wäre, sollte es für immer verges-<br />
sen sein.<br />
Manchmal genieße ich es, eine Erfahrung noch<br />
einmal zu durchleben. Dann wiederum habe ich<br />
das Gefühl, dass ich mich selbst während des<br />
Schreibens bei meinen Handlungen beobachte<br />
und zusehe, wie ich alles noch einmal vollziehe.<br />
Vieles erscheint mir in der Erinnerung noch in-<br />
tensiver als in der Zeit, in der ich es wirklich<br />
erlebt habe, weil die Lebenserfahrung bei der<br />
Selbstbetrachtung mitschwingt.<br />
Ein Buch - nein, Bücher - könnte ich schreiben in<br />
der Rückschau auf ein langes, erlebnisreiches<br />
Leben!.... Aber wie erkläre ich als Humboldt-<br />
Dinosaurier und bekennender Doppelrepetent<br />
ehemaligen Mitschülern in wenigen Zeilen, dass<br />
ich nach meiner Schulzeit nie mehr schlecht<br />
bewertet wurde?<br />
Die Jahre an der Humboldt habe ich qualvoll<br />
durchlitten. Aus heutiger Sicht verstehe ich<br />
diese Leidenszeit als eine Zeit harter Lehren,<br />
die mir aber später im Umgang mit meinen Schü-<br />
lerinnen und Schülern sehr geholfen haben.<br />
Ich bin in Essen-Schonnebeck aufgewachsen.<br />
Wir wohnten in einem schmucken Haus auf dem<br />
Kirchberg zur Miete. Aus den Küchenfenstern<br />
fiel der Blick auf die hügeligen Wiesen des na-<br />
hen Gutshofs und auf eine große Zahl uralter<br />
Buchen und Eichen. Das war ein richtig roman-<br />
tisches Fleckchen Erde mitten im damals noch<br />
sehr dreckigen Ruhrgebiet, das durch triste<br />
Straßen, rußige Zechen und schmutzige Fabriken<br />
von sich reden machte.<br />
Mein Vater war groß und schlank. Er hatte hell-<br />
braunes, gewelltes Haar. Die Musen hatten ihn<br />
gleich mehrfach geküsst, denn er schrieb Ge-<br />
dichte und Geschichten, zeichnete und malte<br />
und konnte wunderbar anschaulich erzählen.<br />
Meine Mutter war von kleiner Statur. Ihr glat-<br />
tes, schwarzes Haar flocht sie zu einem Nackenknoten.<br />
Man sah es ihr an, dass sie gerne<br />
und gut kochte. Sie war ausgesprochen hilfsbereit<br />
und strahlte stets einen lebensbejahenden<br />
Optimismus aus.<br />
Meinen Eltern verdanke ich eine sehr glückliche<br />
Kindheit in einer Familie, wie man sie in Bilder-<br />
büchern oder Fibeln nicht schöner beschrieben<br />
finden könnte.<br />
In den Märztagen des Jahres 1943 endete<br />
meine unbeschwerte Kindheit. Bis dahin fühlte<br />
ich mich bei meinen Eltern absolut sicher und<br />
sehr geborgen. Nun musste ich von einem Tag<br />
auf den andern feststellen, dass es Mächte gab,<br />
die auch meine starken Eltern niederzwingen<br />
konnten: Am 20. März 1943 war der nächtliche<br />
Fliegeralarm noch nicht ganz verhallt, da bellten<br />
auch schon die 8/8-Geschütze der Flugzeugab-<br />
wehrbatterie vom nahen Mechtenberg. Wenn<br />
die Mechtenberger schossen, vibrierten bei uns