30.01.2013 Aufrufe

pdf-Datei

pdf-Datei

pdf-Datei

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Abitur-Abschiedsrede von Olaf Falkenhagen 7<br />

Abitur-Abschiedsrede<br />

von Olaf Falkenhagen<br />

Sehr geehrter Herr Direktor, sehr geehrte<br />

Lehrer, liebe Eltern, liebe Mitschüler!<br />

Vor wenigen Monaten hatten wir die große<br />

Freude, an dieser Stelle der Einweihungsfeier<br />

unseres neuen Schulgebäudes beizuwohnen.<br />

Heute nun, verlassen wir es schon wieder. Seither<br />

ist nicht einmal ein halbes Jahr vergangen.<br />

Eine viel zu kurze Zeit für uns, um die vielen<br />

technischen und organisatorischen Neuerungen<br />

in ihrer vollen Wirkung kennenzulernen, viel zu<br />

kurz, um die entstehenden Vorteile voll für den<br />

Unterricht nutzen zu können.<br />

In dieser Beziehung ist es betrüblich, gerade<br />

jetzt die Schulzeit beenden zu müssen, und wir<br />

beneiden ein wenig die Mitschüler, denen es<br />

vergönnt ist, hier noch mehrere Jahre verbleiben<br />

zu dürfen. Wir sind aber doch stolz darauf,<br />

als erste in diesen noch wenig vom Geist der<br />

Wissenschaft und Erziehung erfüllten Räumen,<br />

den wichtigsten Abschnitt unseres Schülerdaseins<br />

zu vollenden.<br />

Heute ist nun auch der Tag, an dem wir unseren<br />

Lehrern Dank sagen, die uns mit Mühe und Sorgfalt<br />

zu diesem Ziel geführt haben. In diesen<br />

Dank möchte ich aber besonders einschließen<br />

unsere Klassenleiter, die Herren Walke und Dr.<br />

Neerfeld und vor allem unsern Herrn Direktor,<br />

der es trotz ärztlicher Bedenken auf sich nahm,<br />

die überaus große Anzahl der diesjährigen Abiturienten<br />

zu prüfen. Auch eine ernstliche Verschlimmerung<br />

seiner gesundheitlichen Lage<br />

konnte ihn nur wenige Tage davon abhalten, das<br />

Examen zu Ende zu führen.<br />

Es fällt aber doch ein tiefer Schatten auf unsere<br />

Feier. Wir beklagen nämlich den Verlust<br />

eines Lehrers, wie er uns kaum schwerer hätte<br />

treffen können, den Verlust unseres verehrten<br />

Herrn Klein. Wir konnten bei der Nachricht von<br />

seinem plötzlichen Tode kaum fassen, dass dieser<br />

lebensfreudige Mensch nicht mehr unter uns<br />

weilen sollte. Er, der nicht nur ein verständnisvoller<br />

Pädagoge, sondern auch ein sich um das<br />

Letzte bemühender Philosoph und gläubiger<br />

Mensch war, er vermittelte uns seine umfassenden<br />

Kenntnisse und tiefen Erfahrungen im<br />

Deutschunterricht.<br />

Die Trauer wandelt sich aber in stille Freude, da<br />

wir erkennen, dass wir ihm die Grundlagen verdanken,<br />

auf denen der Deutschunterricht weitergeführt<br />

werden konnte. Es gelang seinem<br />

Nachfolger, Herrn Wagner, in bewundernswerter<br />

Weise, sich in wenigen Wochen in die neue<br />

Umgebung einzufühlen und die Klasse nach zäher<br />

systematischer Vorarbeit gut vorbereitet durch<br />

alle Prüfungen zu führen. Abgesehen von den<br />

unglücklichen Umständen, die einen Klassenkameraden<br />

vorzeitig ausscheiden ließen, haben wir<br />

anderen unser Abitur bestanden.<br />

In einer derartigen Stunde gilt nun es vor allem,<br />

unseren Eltern zudanken, die nicht nur kleinere<br />

oder größere Unkosten beglichen, sondern während<br />

vieler Jahre auf einen Beitrag ihres erwachsenen<br />

Sohnes zum Lebensunterhalt der<br />

Familie verzichteten. Wir glauben aber, dass wir<br />

ihnen nicht vergebliche Entbehrungen bereitet<br />

haben. Mögen wir ihnen heute einen Teil ihrer<br />

Hilfe vergüten durch das Zeugnis, das Aufschluss<br />

über unsere Bemühungen gibt.<br />

Was werden wir auf die Frage nach dem Zweck<br />

und Ergebnis unseres Schulbesuches antworten?<br />

Bestimmt wird das Wort Bildung auftauchen. In<br />

unserer Zeit der Wortabnutzung bedarf es<br />

schon einer näheren Untersuchung, um diesen<br />

oberflächlich gebrauchten Begriff in seinem<br />

Sinn zu erkennen.<br />

Bildung hat meiner Meinung nach einen zweifachen<br />

Sinn. Zunächst ist es der Vorgang des Bildens,<br />

und das Ergebnis dieses Vorgangs. Einmal<br />

"in Bildung begriffen sein" - zum anderen „von<br />

guter Bildung sein." Für uns muss es wichtig<br />

sein, dass Bildung ein Wachsen und eine Gestalt<br />

bedeutet, aber immer noch ein dynamisches<br />

Element einschließt.<br />

Die Bildung begann und schritt fort in Verbindung<br />

mit der Umwelt, in die wir durch die Geburt<br />

hineingestellt wurden; so traten uns hier im<br />

Elternhaus und in der Schule Vorbilder in Ideen<br />

und Werken abgerundet gegenüber. Können wir<br />

diese Ideen bedingungslos und ohne kritische<br />

Stellungnahme für immer gültig entgegennehmen?<br />

Diese Frage lässt sich nach den Ereignissen<br />

der letzten Jahrzehnte, der letzten Generation,<br />

nicht ohne weiters bejahen.<br />

Wir haben den Zusammenbruch jeder weltlichen<br />

Autorität erlebt; wir mussten erkennen, wie<br />

unser ganzes Volk das Opfer seiner Leichtgläubigkeit<br />

wurde. Wenn der Mensch in seinem

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!