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178 Wolfgang van Treeck<br />
nahmsweise in der Pause im Klassenraum bleiben.<br />
Den Wink haben alle verstanden.<br />
Bei van Treeck stand "Englisch und Gegenwartskunde"<br />
und bei Günter Spieß "Musik", obwohl wir<br />
schon ein Jahr keinen Musikunterricht mehr<br />
hatten.<br />
Die Angaben im Notizheft waren wohl korrekt.<br />
Herr Möbius überreichte mit bald ein Heftchen<br />
von W. Churchill "Their finest hour". Inhalt:<br />
350.000 bei Dünkirchen geschlagene Briten<br />
konnten unter den Augen der deutschen Armee<br />
mit Nachen, Segelbooten und Schiffen nach<br />
England übersetzen - ohne Gegenwehr.<br />
In Gegenwartskunde lautete der Titel "Geschichte<br />
des Saarlandes".<br />
Bleibende Erinnerung!<br />
Im Februar 1956 sollten die Termine für die<br />
mündliche Abiturprüfung bekannt gegeben werden.<br />
Die Prüfungen wurden 14 Tage später angesetzt,<br />
weil Sir Arnold erkrankt war.<br />
Der Jubel war groß, man konnte noch einmal<br />
"pauken" und weil die Nachricht so gut war, zog<br />
ein großer Pulk von uns ins Kino 7; es lief "Der<br />
Rächer von Texas".<br />
Bleibende Erinnerung!<br />
Meine Prüfungen waren am Donnerstag, 15 Uhr<br />
Englisch, 16 Uhr Gegenwartskunde.<br />
Da die Vorbereitungen abgeschlossen waren,<br />
besuchte ich Mittwochabend die Modenschau<br />
von Loosen im Saalbau mit dem Sänger Peter<br />
Alexander und Europas schönstem Mannequin<br />
Margret Nüncke. Auf Bildern war sie schöner,<br />
von ganz nah gesehen zu hager und mit "Salzfässern"<br />
links und rechts vom Dekolleté.<br />
Die mündliche Prüfung am Donnerstag war eine<br />
faire Angelegenheit.<br />
Schlußpunkt:<br />
Die Abifete im Hotel Villa Hügel<br />
Da aus unserer Klasse alle das Abitur bestanden<br />
hatten, sollte es eine schöne Fete werden.<br />
Viele Lehrer folgten unserer Einladung. Nach<br />
einer halben Stunde war aber schon Schluß mit<br />
unserem Programm, also tote Hose.<br />
Unser Klassenlehrer Theo suchte nach Lösungen;<br />
er wollte sich vor seinen Kollegen nicht<br />
blamieren. Vergeblich.<br />
Da sprang Sir Arnold Loos ein: "We have an<br />
English Party; jeder leistet einen Beitrag." Er<br />
sang eine Oper in englischer Sprache; Text und<br />
Komposition waren von ihm. Alle Zuhörer überraschte<br />
er mit seiner kräftigen Baritonstimme.<br />
Dankbarkeit, Bewunderung und frenetischer<br />
Beifall waren unsere Reaktion und viele fragten<br />
sich, warum Sir Arnold früher so kalt und unnahbar<br />
war.<br />
Der Bann war gebrochen, die Stimmung lockerte<br />
sich und viele Lehrer erzählten lustige Schulgeschichten.<br />
Der Mathelehrer Bloß berichtete, wie<br />
sie als Schüler einen fiesen Schulhausmeister<br />
zur Verzweiflung gebracht hatten: Ein Stinkkäse<br />
wurde im Pult versteckt; über den Gestank<br />
beschwerten sich Lehrer und Schüler. Tagelang<br />
versuchte der gestreßte Mann die Ursache des<br />
Gestanks zu finden, bis endlich die Schüler sich<br />
selbst von der Plage befreiten.<br />
Und nun war Herr Möbius gefordert: "Mr.<br />
Dressman, Gentleman, Korpsbruder, immer einen<br />
markanten Spruch auf den Lippen."<br />
Möbius stand auf und sagte: "Ich passe!" Er<br />
bedankte sich für die Einladung, wünschte allen<br />
einen weiteren schönen Abend, nahm Hut und<br />
Mantel und verschwand schon gegen 22 Uhr.<br />
Tiefes Schweigen, Enttäuschung - warum hat<br />
Herr Möbius sich so einen schlechten Abgang<br />
verschafft?<br />
Bleibende Erinnerung!<br />
Die Fete ging weiter, vielleicht spielte der Alkohol<br />
eine Rolle; die Morgendämmerung ließ uns<br />
den Heimweg antreten. Aber den Abgang von<br />
Herrn Möbius habe ich nie verstanden und nie<br />
vergessen.