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Hans Wuttke 189<br />

Kriegsende<br />

Bei Kriegsende kehrten wir von einer Reise zu<br />

den ebenfalls nach Süddeutschland evakuierten<br />

Großeltern zurück. Manchmal von Pferdefuhrwerken<br />

mitgenommen, meist aber zu Fuß zogen<br />

wir nach Westen; deutsche Truppen kamen uns<br />

entgegen. Ein Soldat schenkte mir sein Fahrrad;<br />

fahren konnte ich noch nicht und musste es<br />

schieben, konnte aber Gepäck daran hängen.<br />

Auf freiem Feld erlebten wir Angriffe von Tieffliegern<br />

und lernten schnell, uns zur Deckung in<br />

einen Graben zu werfen. Immer weniger deutsche<br />

Soldaten waren zu sehen. Schließlich kamen<br />

wir in ein Dorf, in das gerade die Franzosen<br />

eingezogen waren, – darunter Marokkaner – die<br />

ersten Schwarzen, die ich sah. Die Franzosen<br />

saßen friedlich auf Panzern oder in Jeeps und<br />

verteilten Schokolade. Uns ließen sie in Ruhe und<br />

wir konnten unseren Marsch fortsetzen.<br />

Mein Vater kam erst zurück, als ich schon in<br />

Essen zur Ardeyschule ging. Er war Gefangener<br />

der Amerikaner in Bayern. Eine Entlassung war<br />

nicht absehbar. Für meine Mutter gab es keine<br />

andere Erwerbsquelle als das Handeln auf dem<br />

Schwarzen Markt. Dort beschaffte sie auch für<br />

meinen Vater einen Personalausweis und reiste<br />

mit einem Koffer voller Zivilkleider zum Lager.<br />

Während ihres Besuchs konnte mein Vater sich<br />

auf der Toilette umziehen und die beiden haben<br />

das Lager durch den Haupteingang verlassen.<br />

Endlich Latein<br />

Neu am Gymnasium war vor allem Latein. Schon<br />

lange reizte mich diese Sprache; die meine Eltern<br />

benutzten, wenn sie über etwas sprachen,<br />

was nicht für kindliche Ohren bestimmt war.<br />

Das war nun bald zu Ende, nicht zuletzt dank<br />

meines Vaters, der zu Hause saß, auf seine Entnazifizierung<br />

wartete und alle Zeit der Welt<br />

hatte, den Lateinunterricht seines Ältesten zu<br />

flankieren. Davon habe ich bis zum Abitur zehren<br />

können, ohne mich jemals wieder vergleichbar<br />

„auf den Hosenboden“ setzen zu müssen.<br />

Erinnerungen an unsere Lehrer<br />

Es gab viel Licht, aber auch Schatten; beides<br />

verschwimmt miteinander. Trat Wilhelm Bappert<br />

aus der Hoftür und steuerte auf „Baracke<br />

links“ zu, waren wir ihm meistens zu laut und<br />

durften weitere Seiten aus dem Lesebuch stur<br />

abschreiben. Doch man hatte schnell heraus,<br />

dass er nur oberflächlich kontrollierte und nicht<br />

merkte, wenn man jeden zweiten Satz ausließ.<br />

An seinen Deutschunterricht habe ich keine<br />

nachhaltigen Erinnerungen.<br />

Mit einigen unserer Englischlehrer hatten wir<br />

nicht das große Los gezogen; schade – ich habe<br />

erst sehr viel später entdeckt, dass das Lernen<br />

moderner Fremdsprachen Spaß machen kann.<br />

Zwiespältig sind auch meine Erinnerungen an den<br />

Geschichtsunterricht bei Hans Terporten. Er<br />

konnte sehr spannend erzählen und Interesse<br />

für Geschichte wecken. Aber ich erinnere mich<br />

nur ungern an seinen Jähzorn (die fliegende Tasche)<br />

und seine Ungerechtigkeit: wen er auf<br />

dem Kieker hatte, der kam immer wieder dran;<br />

die anderen behielten unbefragt ihre alten (guten)<br />

Noten.<br />

Bei Dr. Wilhelm Plester fallen mir Stichworte<br />

wie „Monokothyledonen“ und „semipermeable<br />

Membran“ ein, leider aber auch „Junge, komm<br />

mal her! Nimm mal die Brille ab!“ ...<br />

Mathematik<br />

Karl Utzat hat uns – wie ich heute als Fachmann<br />

beurteilen kann – sehr solide Grundlagen der<br />

Mathematik beigebracht. In Religion hat er systematisch<br />

biblische Geschichte vermittelt. Sein<br />

von uns oft als zu militärisch empfundener Stil<br />

im Sport hat nicht verhindert, dass die meisten<br />

von uns gerne Sport getrieben haben.<br />

Werner Grisard geriet bei der Entwicklung mathematischer<br />

Gedanken hin und wieder ins Abseits:<br />

„Alles auswischen, alles vergessen!“ Ich<br />

lernte schnell, nicht gleich etwas zu sagen; denn<br />

wenn der Irrtum erst spät entdeckt wurde, gab<br />

es keine Hausaufgaben. Werner Grisard sprach<br />

uns aber an; ihm verdanken wir die beiden<br />

schönen Rhein-Wanderungen.<br />

Mir persönlich war sein Unterricht später indirekt<br />

eine große Hilfe: Wenn mich beim Studium<br />

Zweifel an meiner Begabung für Mathematik befielen,<br />

hat mir ein Gedanke immer geholfen:<br />

„Der G. hat das auch geschafft!“<br />

Der Kunstunterricht bei Mellmann war vielseitig<br />

in der Praxis; von der bei ihm erlernten „Schönschrift“<br />

konnte ich immer wieder Gebrauch machen.<br />

Am nachhaltigsten geprägt hat mich sein<br />

kunstgeschichtlicher Unterricht. Die Beschäftigung<br />

mit moderner Malerei hat mich nicht mehr<br />

losgelassen.

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