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Einführung in die Linguistik

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146 KAPITEL 7. PRAGMATIK<br />

b) Ihr Köter läuft unserer Katze h<strong>in</strong>terher.<br />

Beispiel 94 Semantik vs. Pragmatik. Auf folgender Webseite kann man<br />

e<strong>in</strong> Übersetzungssystem ausprobieren: http://de.altavista.com/babelfish/.<br />

Wenn man <strong>die</strong>ses System Satz a) <strong>in</strong>s Englische übersetzen lässt, liefert es als<br />

Ergebnis Satz b):<br />

a) E<strong>in</strong> Männle<strong>in</strong> stand im Walde.<br />

b) A maennle<strong>in</strong> was located <strong>in</strong> the forest.<br />

Wenn wir e<strong>in</strong>mal von “Männle<strong>in</strong>”, das das System offenbar nicht im Lexikon<br />

hatte, absehen: Welchen Fehler hat das Programm gemacht? Man könnte sagen,<br />

dass es zwei Fehler gemacht hat: e<strong>in</strong>en semantischen und e<strong>in</strong>en pragmatischen.<br />

Der semantische besteht dar<strong>in</strong>, dass X is located <strong>in</strong> Y nicht genau dann wahr ist,<br />

wenn X steht <strong>in</strong> Y ist: Wer <strong>in</strong> Y located ist, kann auch <strong>in</strong> Y sitzen oder liegen.<br />

Der pragmatische Fehler besteht dar<strong>in</strong>, dass be located <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Vokabel der Art<br />

ist, dass man mit dem gesamten Satz b) ungefähr denselben literarischen Effekt<br />

erzielt wie mit Satz a). Be located at passt e<strong>in</strong>fach nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en lyrischen Text <strong>in</strong><br />

der Art von a). E<strong>in</strong>en Effekt mit der Äußerung e<strong>in</strong>es Sprachzeichens erzielen ist<br />

auch e<strong>in</strong>e bestimmte Art, mit dem Sprachzeichen zu handeln, und deswegen für<br />

<strong>die</strong> Pragmatik von Interesse. Der Unterschied zwischen Effekterzielen <strong>in</strong> der Art<br />

von Beispiel 94 und anderen Handlungen mit Sprachzeichen (solchen <strong>in</strong> der Art<br />

von Beispiel 93 und 95) besteht dar<strong>in</strong>, dass bei letzteren der Hörer merken muss,<br />

welche Art von Handlung vollzogen werden soll, damit <strong>die</strong> Handlung gel<strong>in</strong>gt.<br />

Beispiel 95 Semantik vs. Pragmatik.<br />

a) Wenn du den Rasen mähst, bekommst du 20 Mark.<br />

b) Wenn du den Rasen nicht mähst, bekommst du ke<strong>in</strong>e 20 Mark.<br />

c) Wenn du den Rasen nicht mähst, bekommst du auch 20 Mark.<br />

Wenn man a) und b) unter re<strong>in</strong> semantischen e , d.h. logischen Gesichtspunkten<br />

betrachtet, dann folgt b) ke<strong>in</strong>esfalls aus a): Es kann durchaus so se<strong>in</strong>, dass<br />

jemand sowohl dann 20 Mark bekommt, wenn er den Rasen mäht, als auch<br />

dann, wenn er ihn nicht mäht. Doch, wer a) äußert, der will vermutlich ke<strong>in</strong>e<br />

Behauptung über das Bestehen e<strong>in</strong>es bestimmten Sachverhalts aufstellen. Er<br />

macht damit dem Hörer e<strong>in</strong> Angebot. E<strong>in</strong>em Hörer, der das versteht, ist normalerweise<br />

sofort klar, dass der Sprecher auf <strong>die</strong> Frage Und was passiert, wenn ich<br />

ihn nicht mähe? sehr wahrsche<strong>in</strong>lich etwas <strong>in</strong> der Art von b) äußern würde. Die<br />

Äußerung von a) und c) h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>ander (z.B. durch e<strong>in</strong>en Vater se<strong>in</strong>em Sohn<br />

gegenüber) wäre sehr merkwürdig und bedürfte e<strong>in</strong>er Rechtfertigung (z.B. der,<br />

dass der Vater se<strong>in</strong>em Sohn zwanzig Mark schenken und außerdem e<strong>in</strong>en Witz<br />

machen wollte). Wenn man a) äußert, legt man nahe, dass man auch b) me<strong>in</strong>t.<br />

Wir können das eben betrachtete Phänomen zusammenfassend wie folgt charakterisieren:<br />

Semantisch e darf man nicht von a) auf b) schließen. Pragmatisch<br />

darf man <strong>die</strong>s.<br />

An der Stelle des Lesers <strong>die</strong>ses Skripts wäre ich jetzt allmählich misstrauisch<br />

geworden: Wenn jemand so viele Beispiele braucht, um etwas zu erläutern, dann

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