Einführung in die Linguistik
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4.7. MORPHOLOGISCHE SPRACHTYPOLOGIE 65<br />
Stammbildung vs. Wurzelseparierung<br />
Def<strong>in</strong>ition 236 Stammbildung vs. Wurzelseparierung. Synthese vs.<br />
Analyse bei der Stammbildung. E<strong>in</strong>e Sprache ist desto stammbildender (wurzelseparierender),<br />
je mehr (weniger) sie dazu neigt, lexikalische Bedeutungen mit<br />
morphologischen Mitteln zu ko<strong>die</strong>ren, d.h. komplexe Stämme zu bilden.<br />
Hochgradig stammbildend s<strong>in</strong>d Eskimosprachen. E<strong>in</strong>e mittlere Position h<strong>in</strong>sichtlich<br />
des Stammbildungsparameters haben alle Sprachen, <strong>die</strong> Derivation und<br />
Komposition aufweisen (z.B. Deutsch). E<strong>in</strong> hoher Grad von Wurzelseparierung<br />
liegt beim Vietnamesischen vor.<br />
Beispiele 42 Stammbildung vs. Wurzelseparierung. (nach [65])<br />
a) Tschuktisch: hoher Grad von Stammbildung<br />
t- -e- -meynge- -levte- -pegt- -e- -rken<br />
1sg.subj -lnk- -groß - -Kopf- -Schmerz- -lnk- -imp<br />
“Ich habe große Kopfschmerzen”.<br />
b) Deutsch: mittlerer Grad von Stammbildung: Derivation und Komposition<br />
1. Misch-wald<br />
2. Misch-ung<br />
c) Vietnamesisch: m<strong>in</strong>imaler Grad von Stammbildung bzw. höchster Grad<br />
von Wurzelseparierung<br />
bát dâu<br />
fassen Kopf<br />
“beg<strong>in</strong>nen”<br />
Flexion vs. Isolation<br />
Def<strong>in</strong>ition 237 Flexion vs. Isolation. Synthese vs. Analyse bei der<br />
Wortbildung. E<strong>in</strong>e Sprache ist desto flektierender (isolierender), je mehr (weniger)<br />
sie dazu neigt, grammatische Bedeutungen mit morphologischen Mitteln zu<br />
ko<strong>die</strong>ren, d.h. komplexe Wortformen zu bilden. Beispiele für hochgradig flektierende<br />
Sprachen: Tschuktschisch und Eskimo. Beispiele für hochgradig isolierende<br />
Sprachen: Thai und Vietnamesisch.<br />
4.7.2 Fusion vs. Kollokation<br />
Def<strong>in</strong>ition 238 Fusion vs. Kollokation/Konkatenation. Fusion<br />
ist lautliche Veränderung der Bestandteile von synthetisch gebildeten Formen.<br />
E<strong>in</strong>e Sprache ist desto fusionierender (kollozierender), je mehr (weniger) sie zu<br />
Fusion neigt. Grade von Fusion (nach [65]):<br />
a) Maximaler Grad von Fusion: starke Suppletion: go – went (ke<strong>in</strong>erlei<br />
Ähnlichkeit)<br />
b) Intermediärer Grad von Fusion: schwache Suppletion: denke – dachte (alle<br />
Formen der schwachen Suppletion: Segmentwechsel, Akzentwechsel, Tonwechsel)