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Einführung in die Linguistik

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7.4. THEORIE DER KONTEXTABHÄNGIGKEIT VON BEDEUTUNGEN163<br />

Def<strong>in</strong>ition 418 <strong>in</strong>tensionales Verb. <strong>in</strong>tensionales Prädikat. Verb/Prädikat,<br />

das nicht <strong>die</strong> Existenz der Referenten aller se<strong>in</strong>er Argumente präsupponiert.<br />

Beispiele: suchen, brauchen, behaupten, glauben. Fritz sucht das E<strong>in</strong>horn,<br />

das se<strong>in</strong>e Tulpen gefressen hat präsupponiert nicht, dass es so e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>horn (bzw.<br />

E<strong>in</strong>hörner überhaupt) gibt. Fritz behauptet, dass es E<strong>in</strong>hörner gibt präsupponiert<br />

nicht, dass der Sachverhalt, dass es E<strong>in</strong>hörner gibt, existiert, bzw., e<strong>in</strong>facher<br />

ausgedrückt, dass Es gibt E<strong>in</strong>hörner wahr ist.<br />

Anmerkung 73 <strong>in</strong>tensionales Verb. <strong>in</strong>tensionales Prädikat. Manche<br />

Sprachen “wissen”, dass es so etwas wie <strong>in</strong>tensionale Verben gibt. (Das heißt<br />

nicht, dass es <strong>die</strong> Sprecher <strong>die</strong>ser Sprachen wissen.) Sie bieten dem Sprecher<br />

<strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>die</strong> Existenz des fraglichen Referenten zu präsupponieren, oder<br />

auch nicht. Spanisch ist so e<strong>in</strong>e Sprache; vgl. a) und b):<br />

a) Busco un estudiante que sepa ch<strong>in</strong>o.<br />

Ich suche e<strong>in</strong>en Studenten der kann [Subjunktiv] Ch<strong>in</strong>esisch.<br />

b) Busco un estudiante que sabe ch<strong>in</strong>o.<br />

Ich suche e<strong>in</strong>en Studenten der kann [Indikativ] Ch<strong>in</strong>esisch.<br />

Nur mit b) präsupponiert man, dass es so e<strong>in</strong>en Studenten gibt (und man<br />

genau <strong>die</strong>sen Studenten sucht).<br />

Präsuppositionen s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> am längsten bekannte der hier betrachteten “pragmatischen<br />

Folgerungsbeziehungen”. Schon Frege entwickelte e<strong>in</strong>e Theorie der<br />

Präsuppositionen. Er und Bertrand Russell (1872 - 1970) versuchten, dem Phänomen<br />

der Präsuppositionen auf re<strong>in</strong> semantischee Weise Rechnung zu tragen.<br />

(“Pragmatik”im heutigen S<strong>in</strong>n gab es damals noch nicht.) Russells Theorie der<br />

def<strong>in</strong>iten Beschreibungen war lange Zeit <strong>die</strong> Theorie der def<strong>in</strong>iten Beschreibungen:<br />

Def<strong>in</strong>ition 419 Russells Theorie der def<strong>in</strong>iten Beschreibungen.<br />

Nach Russell s<strong>in</strong>d Ausdrücke der Art G(ιx(F (x)) aufzufassen als ∃x(F (x) ∧<br />

∀y(F (y) → x = y) ∧ G(x)). Umgangssprachlich: Der Satz Das F ist G ist<br />

aufzufassen als Es gibt genau e<strong>in</strong> F und <strong>die</strong>ses F ist (e<strong>in</strong>) G. Ausführlicher: Es<br />

gibt e<strong>in</strong>e Entität x, <strong>die</strong> (e<strong>in</strong>) F ist, und alle Entitäten y, <strong>die</strong> F s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d mit x<br />

identisch, und x ist (e<strong>in</strong>) G.<br />

Mit Russells Theorie der def<strong>in</strong>iten Beschreibungen kann man am Bivalenzpr<strong>in</strong>zip<br />

bzw. am Tertium-non-datur festhalten: Sätze, deren Präsuppositionen<br />

nicht gelten, s<strong>in</strong>d nach <strong>die</strong>ser Theorie falsch.<br />

Def<strong>in</strong>ition 420 Bivalenzpr<strong>in</strong>zip. Tertium-non-datur. Pr<strong>in</strong>zip, das besagt,<br />

dass alle (Behauptungs-) Sätze genau entweder wahr oder falsch s<strong>in</strong>d, d.h.<br />

dass es nicht (“non”) noch e<strong>in</strong>en dritten Wahrheitswert (“tertium”) gibt (“datur”).<br />

Nicht alle Logiken folgen dem Tertium-non-datur. Es gibt auch Logiken mit<br />

drei und mehr Wahrheitswerten. E<strong>in</strong> Grund, warum es s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong> könnte, dreiwertige<br />

Logiken zu def<strong>in</strong>ieren, ist der, dass wir nicht <strong>die</strong> Intuition haben, dass<br />

Sätze wie Der gegenwärtige König von Frankreich hat e<strong>in</strong>e Glatze im engeren

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