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Einführung in die Linguistik

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92 KAPITEL 5. SYNTAX<br />

zur Kategorie der Entitäten mit Bewusstse<strong>in</strong> (oder Intelligenz, Vernunft, oder<br />

wie man’s nennen möchte) gehört. Die erläuterten semantischen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

(+Person, +Bewegung, +Vorsatz, +Bewusstse<strong>in</strong>) s<strong>in</strong>d typische Def<strong>in</strong>ientia der<br />

Agens-Rolle. Ihr Nichtzutreffen für e<strong>in</strong>e Argumentstelle (−Person, −Bewegung,<br />

−Vorsatz, −Bewusstse<strong>in</strong>) ist e<strong>in</strong> Indiz dafür, dass <strong>die</strong> fragliche Argumentstelle<br />

ihrem “Inhaber” <strong>die</strong> Patiens-Rolle vorschreibt: Um wiedererkannt werden zu<br />

können, muss man weder Bewusstse<strong>in</strong> haben, noch <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, etwas absichtlich<br />

zu tun, noch ...<br />

Semantische Rolle mit folgenden typischen Def<strong>in</strong>ien-<br />

Def<strong>in</strong>ition 299 Agens.<br />

tia (frei nach [14, 572]):<br />

a) volitionale Involviertheit <strong>in</strong> <strong>die</strong> fragliche Situation<br />

b) Bewusstse<strong>in</strong>/Wahrnehmung<br />

c) Verursachung e<strong>in</strong>es Ereignisses<br />

d) Bewegung (relativ zu den anderen Partizipanten<br />

Semantische Rolle mit folgenden typischen Def<strong>in</strong>i-<br />

Def<strong>in</strong>ition 300 Patiens.<br />

entia (frei nach [14, 572]):<br />

a) Zustandswechsel<br />

b) kausale Affiziertheit<br />

c) <strong>in</strong> Ruhe relativ zu anderen Partizipanten<br />

d) kommt durch das fragliche Ereignis <strong>in</strong> <strong>die</strong> oder aus der Existenz<br />

Anmerkung 41 Agens. Patiens. Dowty vertritt <strong>in</strong> [14] <strong>die</strong> Ansicht, dass<br />

man Grade des Vorliegens e<strong>in</strong>er semantischen Rolle, d.h. z.B. Grade von Agentivität<br />

bzw. Patientivität unterscheiden sollte.<br />

Semantische und grammatische Rollen<br />

Nachdem wir semantische Rollen kennengelernt haben, bekommen wir e<strong>in</strong>en<br />

neuen Blick auf <strong>die</strong> grammatischen Rollen oder syntaktischen Funktionen: Grammatische<br />

Rollen vertreten sozusagen <strong>die</strong> semantischen Rollen an der syntaktischen<br />

Oberfläche. Damit helfen sie uns herauszuf<strong>in</strong>den, wer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sprachlich<br />

dargestellten Situation was mit wem tut. Argumente mit der Rolle Agens werden<br />

— im Deutschen — typischerweise durch <strong>die</strong> grammatische Rolle Subjekt<br />

bzw. den Kasus Nom<strong>in</strong>ativ markiert. Argumente mit der Rolle Patiens werden<br />

— im Deutschen — typischerweise durch <strong>die</strong> grammatische Rolle Objekt bzw.<br />

den Kasus Akkusativ (oder e<strong>in</strong>en anderen casus obliquus) markiert.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs gibt es von <strong>die</strong>ser groben Regel viele Ausnahmen: E<strong>in</strong>stellige Verben<br />

haben nur e<strong>in</strong>e semantische Rolle zu vergeben. Oft handelt es sich dabei um<br />

<strong>die</strong> Patiensrolle (wie bei schlafen, sterben, erschrecken, nießen). Dennoch werden<br />

<strong>die</strong> Argumente <strong>die</strong>ser Verben meist im Nom<strong>in</strong>ativ ko<strong>die</strong>rt. Der Nom<strong>in</strong>ativ<br />

ist eben der “normale” Kasus des Deutschen, oder, l<strong>in</strong>guistisch ausgedrückt, der<br />

unmarkierteste Kasus des Deutschen.

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