Einführung in die Linguistik
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7.3. SPRECHAKTTHEORIE UND ILLOKUTIONSSEMANTIK 149<br />
a) 1. Du räumst de<strong>in</strong> Zimmer auf.<br />
2. Räumst du de<strong>in</strong> Zimmer auf?<br />
3. Räum de<strong>in</strong> Zimmer auf!<br />
b) 1. Du fährst nächstes Jahr nach England.<br />
2. Fährst du nächstes Jahr nach England?<br />
3. Fahr nächstes Jahr nach England!<br />
c) 1. Es schneit.<br />
2. Schneit es?<br />
3. Es soll schneien! / Es schneie!<br />
Jeder Leser <strong>die</strong>ses Skripts könnte wohl beliebig viele weitere Beispiele für <strong>die</strong>ses<br />
Phänomen aus dem Deutschen oder anderen Sprachen liefern. Wir können<br />
den systematischen Bedeutungsunterschieden zwischen Mitgliedern von Satzgruppen<br />
<strong>in</strong> der Art von a) bis c) durch Paraphrasen folgender Art Rechnung<br />
tragen:<br />
d) 1. Es ist wahr, dass du de<strong>in</strong> Zimmer aufräumst.<br />
2. Ist es wahr, dass du de<strong>in</strong> Zimmer aufräumst?<br />
3. Mache wahr, dass du de<strong>in</strong> Zimmer aufräumst!<br />
e) 1. Es ist wahr, dass du nächstes Jahr nach England fährst.<br />
2. Ist es wahr, dass du nächstes Jahr nach England fährst?<br />
3. Mache wahr, dass du nächstes Jahr nach England fährst!<br />
f) 1. Es ist wahr, dass es schneit.<br />
2. Ist es wahr, dass es schneit?<br />
3. Mache wahr / Es sei wahr, dass es schneit!<br />
Diese Paraphrasen s<strong>in</strong>d nicht sehr natürlich. Um etwa zu behaupten, dass<br />
es schneit, würde man e<strong>in</strong>fach sagen Es schneit und nicht Es ist wahr, dass<br />
es schneit. Die Sätze d) bis f) s<strong>in</strong>d redundant. Ihre Redundanz besteht dar<strong>in</strong>,<br />
dass sie auf zweifache Weise zeigen, welchen Sprechakt man mit ihnen vollziehen<br />
kann: erstens durch ihren Satzmodus (Indikativ <strong>in</strong> den 1-, Imperativ <strong>in</strong> den<br />
3-Sätzen) bzw. ihre Wortstellung (Verb-Subjekt-Objekt <strong>in</strong> den 2-Sätzen) und<br />
zweitens durch <strong>die</strong> Phrase, <strong>die</strong> vor dem kursiv gedruckten Teil steht. Durch den<br />
<strong>in</strong> d) bis f) angewandten Trick haben wir <strong>die</strong> Propositionen und <strong>die</strong> “Sprechaktoperatoren”<br />
von a) bis c) isoliert. In den a)-Sätzen von a) bis c) steckt der<br />
“Sprechaktoperator” es ist wahr, dass (kurz: ·) <strong>in</strong> den b)-Sätzen steckt der<br />
“Sprechaktoperator” ist es wahr, dass (kurz: ?) und <strong>in</strong> den c)-Sätzen steckt der<br />
“Sprechaktoperator” es sei wahr, dass (kurz: !). Deswegen kann man mit den<br />
1-Sätzen den Sprechakt (= <strong>die</strong> Handlung) der Behauptung, mit den 2-Sätzen<br />
den Sprechakt der Frage und mit den 3-Sätzen den Sprechakt des Befehls / der<br />
Aufforderung vollziehen. Die Proposition ist jeweils <strong>in</strong> den Sätzen 1 bis 3 <strong>die</strong>selbe:<br />
du de<strong>in</strong> Zimmer aufräumst bzw. du nächstes Jahr nach England<br />
fährst bzw. es schneit. Wenn wir sagen