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Einführung in die Linguistik

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168 KAPITEL 7. PRAGMATIK<br />

Beispiel 105 heiße vs. coole Sprache.<br />

a) A und B s<strong>in</strong>d auf e<strong>in</strong>er Party. A weiß, dass B e<strong>in</strong>en ziemlich weiten Weg<br />

hatte.<br />

A: Wie bist du hergekommen?<br />

B: ?? Mit e<strong>in</strong>em Fahrzeug.<br />

b) A und B s<strong>in</strong>d auf e<strong>in</strong>er Party. A weiß, dass B e<strong>in</strong>en ziemlich weiten Weg<br />

hatte.<br />

A: nǐ zěng mō lái de<br />

du wie kommen Partikel<br />

B: zuò chē lái de<br />

nehmen Fahrzeug kommen Partikel<br />

Ich danke Li Yunbei für Beispiel 105. Das Wort chē kann man nach Li ohne<br />

weiteres durch Fahrzeug übersetzen. Allerd<strong>in</strong>gs ist Bs Antwort <strong>in</strong> Beispiel 105b<br />

nicht ganz so <strong>in</strong>formationsarm, wie er aussieht: Durch <strong>die</strong> Wahl des Verbs zuò<br />

macht der Sprecher deutlich, dass er nicht selbst gefahren ist. Er kann also,<br />

wenn er <strong>die</strong> Wahrheit gesagt hat, höchstens mit dem Taxi, der U-Bahn, der<br />

Straßenbahn, e<strong>in</strong>em Zug, e<strong>in</strong>er Pferdekutsche oder Ähnlichem gekommen se<strong>in</strong><br />

(nicht aber mit dem Fahrrad oder dem eigenen Auto).<br />

Die “Coolheit”des Ch<strong>in</strong>esischen zeigt sich nicht nur im pragmatischen Bereich:<br />

Im Deutschen muss das Subjekt immer explizit — notfalls durch e<strong>in</strong> Personalpronomen<br />

— ko<strong>die</strong>rt werden. Dabei hat das Deutsche e<strong>in</strong>e relativ reiche<br />

Verbmorphologie: gehe, gehst, geht, gehen, geht, gehen. Abgesehen von 1. und<br />

3. Person Plural würde man im Indikativ Präsens ke<strong>in</strong>e Ambiguitäten erzeugen,<br />

wenn man <strong>die</strong> Subjektpronom<strong>in</strong>a wegließe. Das heißt, durch Gebrauch von<br />

Verbendungen und Subjektpronomen ko<strong>die</strong>ren Deutschsprecher <strong>die</strong> fragliche Information<br />

doppelt. Sie erleichtern durch <strong>die</strong>se Redundanz dem Hörer <strong>die</strong> Interpretation<br />

ihrer Äußerung. (Vgl. dazu <strong>die</strong> Weglassbarkeit der Subjektpronom<strong>in</strong>a<br />

<strong>in</strong> Sprachen wie dem Spanischen und dem Italienischen.) Das Ch<strong>in</strong>esische kennt<br />

ke<strong>in</strong>e Verbendungen für Person oder Numerus und erlaubt dennoch, Subjekte<br />

(vgl. Beispiel 105b) Objekte und vieles andere mehr wegzulassen. Der Ch<strong>in</strong>esischhörer<br />

muss eben aus dem Kontext erschließen, wer was mit wem tut.<br />

Def<strong>in</strong>ition 422 Redundanz. E<strong>in</strong> sprachliches Zeichen heißt redundant, wenn<br />

es e<strong>in</strong> und <strong>die</strong>selbe Bedeutung mehrfach ko<strong>die</strong>rt.<br />

Konversationelle Implikaturen und ihre“Berechnung” unter Voraussetzung<br />

der Konversationsmaximen<br />

Def<strong>in</strong>ition 423 Konversationelle Implikatur. E<strong>in</strong> Sprecher impliziert<br />

mit e<strong>in</strong>em Satz S 1 e<strong>in</strong>en Satz S 2 konversationell gdw. man — gegeben <strong>die</strong> Umstände<br />

der Äußerung von S 1 — auf S 2 schließen kann, ohne dass S 1 S 2 impliziert<br />

oder präsupponiert. Statt “S 1 impliziert S 2 konversationell (gegeben <strong>die</strong> Menge<br />

der Umstände U)”sagen wir gemäß e<strong>in</strong>er weit verbreiteten Konvention auch “S 1<br />

implikiert S 2 (gegeben <strong>die</strong> Menge der Umstände U)”.

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