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Einführung in die Linguistik

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4.7. MORPHOLOGISCHE SPRACHTYPOLOGIE 67<br />

Anmerkung 32 Synthese. Polysemasie. Wenn man Sätze nicht als oberste<br />

Grenze für Syntax und Morphologie annimmt, dann ist dem Grad der Synthese<br />

von sprachlichen Ausdrücken selbstverständlich ke<strong>in</strong>e Grenze gesetzt. Es könnte<br />

ja auch e<strong>in</strong>e Sprache geben, <strong>in</strong> der <strong>die</strong> gesamte Bibel durch e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Wort<br />

ko<strong>die</strong>rt wird.) Da <strong>die</strong> Menge der zu enko<strong>die</strong>renden Bedeutungen grundsätzlich<br />

offen ist, können Sprachen im Pr<strong>in</strong>zip auch beliebig polysematisch se<strong>in</strong>.<br />

4.7.5 Die wichtigsten morphologischen Sprachtypen<br />

Def<strong>in</strong>ition 240 agglut<strong>in</strong>ierende Sprache. E<strong>in</strong>e Sprache heißt agglut<strong>in</strong>ierend,<br />

wenn sie monosematisch und synthetisch ist. Beispiele für agglut<strong>in</strong>ierende<br />

Sprachen: Türkisch, Ungarisch, F<strong>in</strong>nisch, Mongolisch, Koreanisch.<br />

Def<strong>in</strong>ition 241 polysynthetische Sprache. E<strong>in</strong>e Sprache heißt polysynthetisch,<br />

wenn sie starke polysematischer Synthese (im lexikalischen und grammatischen<br />

Bereich) aufweist. Beispiele für polysynthetische Sprachen: Irokesisch<br />

und nordamerikanische Sprachen.<br />

Def<strong>in</strong>ition 242 <strong>in</strong>korporierende Sprache. E<strong>in</strong>e Sprache heißt <strong>in</strong>korporierend,<br />

wenn sie Wörter mit Satzcharakter bildet, <strong>in</strong>dem lexikalische Formen um<br />

das Verb herum gruppiert werden (= <strong>in</strong>s Verb “<strong>in</strong>korporiert” werden). Unterschied<br />

zu polysynthetischen Sprachen: Die Formen können auch frei vorkommen.<br />

(Nach [8], andere gebrauchen polysynthetisch und <strong>in</strong>korporierend synonym). Beispiele:<br />

Eskimosprachen.<br />

Def<strong>in</strong>ition 243 flektierende Sprache. E<strong>in</strong>e Sprache heißt flektierend,<br />

wenn sie polysematische Synthese im grammatischen Bereich aufweist. Beispiele<br />

für flektierende Sprachen: slawische Sprachen, baltische Sprachen, Isländisch,<br />

Deutsch (<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerem Ausmaß).<br />

Def<strong>in</strong>ition 244 isolierende Sprache. E<strong>in</strong>e Sprache heißt isolierend, wenn<br />

sie analytisch und konkatenierend ist. (= Sprachen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Abbildung 4.6 um<br />

A herum angesiedelt s<strong>in</strong>d.) Beispiele für isolierende Sprachen: Thai, Vietnamesisch,<br />

klassisches Ch<strong>in</strong>esisch, Hawaianisch, Englisch (<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerem Ausmaß).<br />

4.7.6 Morphologischer Wandel (nach [65])<br />

Beispiele 44 Morphologischer Wandel.<br />

a) Morphologisierung phonologischer Regularitäten Beispiel: Im Deutschen<br />

heute Plural durch Umlaut ko<strong>die</strong>rt: Gast – Gäste. Ahd.: gast – gesti: /a/<br />

durch /i/ aufgehellt;<br />

b) Morphologisierung syntaktischer Strukturen Beispiel: cantare habeas ><br />

span. cantarás (“Today’s morphology is yesterday’s syntax”, Givón, zitiert<br />

nach [65].)<br />

c) Analogischer Ausgleich Beispiel: Span.: hablar – hablaron (’sprechen’ <strong>in</strong>f<br />

– 3. pl perf), andar – anduvieron (’gehen’ <strong>in</strong>f – 3. pl perf: Tendenz:<br />

anduvieron> andaron.

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