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George Orwell - 1984.pdf

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Etwas an der Musik, die aus dem Televisor rieselte,<br />

änderte sich. Ein prahlerischer und höhnischer, ein hetzerischer<br />

Unterton kam hinein. Und dann – vielleicht<br />

geschah es nicht wirklich, vielleicht war es nur eine<br />

sich in eine Melodie kleidende Erinnerung – sang eine<br />

Stimme:<br />

»Under the spreading chestnut tree<br />

I sold you and you sold me –«<br />

Tränen stiegen ihm in die Augen. Ein vorbeikommender<br />

Kellner sah, daß sein Glas leer war, und kam mit der<br />

Ginflasche zurück.<br />

Er hob sein Glas und schnupperte daran. Das Zeug<br />

wurde mit jedem Schluck, den er trank, nicht weniger<br />

scheußlich, sondern scheußlicher. Aber es war zu dem<br />

Element geworden, in dem er schwamm. Es war sein<br />

Leben, sein Tod und sein Wiederbelebungsmittel. Der Gin<br />

versetzte ihn allabendlich in einen dumpfen Schlaf, und<br />

der Gin erweckte ihn allmorgendlich wieder zum Leben.<br />

Wenn er, was selten vor elf Uhr geschah, mit verklebten<br />

Augen, mit schlechtem Geschmack im Mund und einem<br />

wie gebrochenen Rücken aufwachte, wäre es unmöglich<br />

gewesen, sich auch nur aus der Horizontale aufzurichten,<br />

wären nicht die nachtsüber neben dem Bett stehende<br />

Flasche und Teetasse gewesen. Über die Mittagsstunde<br />

saß er mit verglastem Blick da, die Flasche griffbereit vor<br />

sich, und lauschte dem Televisor. Von fünfzehn Uhr bis<br />

Lokalschluß gehörte er zum Inventar des Cafés. »Zum<br />

Kastanienbaum«. Niemand kümmerte sich mehr darum,<br />

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