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Experimentelle Untersuchung von Versprechern bei Zwangspatienten ...

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<strong>Experimentelle</strong> <strong>Untersuchung</strong> <strong>von</strong> <strong>Versprechern</strong> <strong>bei</strong> <strong>Zwangspatienten</strong><br />

Fehlleistungen als sinnvolle Leistungen, die zurückführbar sind auf eine latente, aber<br />

rekonstruierbare Intention dessen, der sie begeht.<br />

In seinem Werk ‘Psychopathologie des Alltagslebens’ (1901) gibt Freud einige Beispiele für<br />

Versprecher (Fehlleistungen), die in der freien Rede auftreten. Eines der Beispiele bezieht<br />

sich auf die Eröffnung einer Sitzung durch den Präsidenten des österreichischen<br />

Abgeordnetenhauses, der folgendes sagte: „Hohes Haus! Ich konstatiere die Anwesenheit <strong>von</strong><br />

vielen Herren und erkläre damit die Sitzung für geschlossen“. Nach Freud drängt sich hier der<br />

Wunsch, die Sitzung möge schon beendet sein, in die Rede und setzt sich kompromisslos als<br />

Versprecher durch. Ein anderes Beispiel berichtet <strong>von</strong> einem jungen Mädchen, dass mit einem<br />

ihr unsympathischen Mann verlobt werden sollte. Um die <strong>bei</strong>den jungen Leute einander näher<br />

zu bringen, verabredeten deren Eltern eine Zusammenkunft. Das junge Mädchen besaß<br />

Selbstüberwindung genug, ihrem Freier ihre Abneigung nicht merken zu lassen. Doch auf die<br />

Frage ihrer Mutter, wie ihr der junge Mann gefiele, antwortete sie höflich: „Gut, er ist sehr<br />

liebenswidrig“. Dieses „liebenswidrig“ ist nach Freud ein Kompromissfehler. Sagen will das<br />

junge Mädchen „liebenswürdig“; der Gedanke, der sich in die Rede drängt, ist, dass ihr der<br />

Mann widrig ist. Aus der Intention, etwas Bestimmtes sagen zu wollen und dem sich in die<br />

Rede drängenden Gedanken entsteht ein Kompromiss. Derartige Kompromissfehler setzen<br />

eine Kontrolle vor der Sprachausgabe voraus, die nicht vollständig gelingt. Da<strong>von</strong> zu<br />

unterscheiden sind unkontrollierte Fehler wie in dem Beispiel des Präsidenten des<br />

Österreichischen Abgeordnetenhauses. Dieser letzte Fall, dass sich die störende Intention<br />

vollständig durchsetzt, wird <strong>von</strong> Freud eher selten erwartet:<br />

„Die Fehlleistungen sind aber Kompromissereignisse, sie bedeuten ein halbes Gelingen und ein halbes<br />

Misslingen für jede der <strong>bei</strong>den Absichten, die gefährdete Intention wird weder ganz unterdrückt, noch<br />

setzt sie sich - <strong>von</strong> Einzelfällen abgesehen - ganz unversehrt durch“ (Freud, 1916, S. 85).<br />

Freud (1916, S. 83) unterscheidet drei Arten störender Intentionen, und zwar nach der Tiefe<br />

ihrer Zurückdrängung:<br />

(1) die störende Intention ist dem Sprecher bewusst,<br />

(2) die störende Intention war dem Sprecher im Augenblick des Versprechens nicht<br />

bewusst, wird aber im Nachhinein als die eigene Intention erkannt (vorbewusst),<br />

(3) die störende Intention wird vom Sprecher energisch abgelehnt (unbewusst).<br />

Diese drei Gruppen entsprechen den drei Kategorien seiner Topographie des Seelischen, und<br />

zwar dem Bewussten, dem Vorbewussten und dem Unbewussten (welches allenfalls durch<br />

eine Psychoanalyse erschlossen werden kann). Gemeinsam ist den drei Gruppen, dass die<br />

Intention, obwohl sie vom Sprecher zurückgedrängt wurde, sich gegen seinen Willen in eine

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