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Als nach der Kollision Bootsalarm gedrückt wird, bedarf es keinerlei nähere Erklärungen, daß<br />
es sich diesmal nicht um eine der vielen Übungen handelt. Wer ohne eingehängtem Kojenbrett<br />
schlief, braucht sich jetzt nicht aus der Koje bemühen. Diese hat ihn ohnehin hinaus<br />
katapultiert, so wie ein störrischer Mustang seinen Rodeo-Reiter.<br />
Unten im Matrosengang kleidet sich Matrose Matz in Windeseile an. Laut Bootsrolle hat er<br />
mit festem Schuhzeug, Kopfbedeckung und ordnungsgemäß geschnürter Schwimmweste<br />
auf seiner Manöverstation zu erscheinen. Dann reißt er sein Kammerschott auf und tappt<br />
da<strong>bei</strong> draußen im Gang ins Wasser. Fünf Zentimeter hoch steht es schon im unteren Gang. Er<br />
reißt das Schott von seinem Nachbarn auf, der trödelt noch. „Los, wir müssen raus, das<br />
Wasser kommt schon!“<br />
Als das Schiff Nantes verließ, lag es ruhig wie ein Bügeleisen in der See. Keiner hat sich der<br />
Mühe unterzogen, alle losen Gegenstände seefest zu laschen oder wegzustauen. Der vorliegende<br />
Wetterbericht gab auch keinen Grund zur Veranlassung.<br />
An der vorderen Stirnseite des Matrosenganges waren infolge der 36° Schlagseite unter<br />
anderem 148 volle Bierkästen vom Stapel gekracht. Die Flutwelle ausgelaufenen Biers<br />
passiert im Gang gerade Matzi’s Kammer, als der schlaftrunkig über die Schwelle in das Bier-<br />
Selters-Cola-Gemisch tappt.<br />
So hat die zusammengetrommelte Mannschaft in der O-Messe jetzt lange etwas zu lachen.<br />
Wir liegen im Nebel auf der Fahrstraße und können uns nicht rühren. Eine Notmeldung<br />
brauche ich nicht rauslassen, die Position habe ich mir als erste Amtshandlung vom IV.Offizier<br />
geben lassen und sie vorsorglich im Notzeichengeber eingestellt. Der Zettel mit den Angaben<br />
liegt noch auf meinem Ar<strong>bei</strong>tstisch. Ich sende an alle Fahrzeuge in diesem Seegebiet eine<br />
Sicherheitsmeldung, daß wir als Sicherheitsrisiko im Nebel mitten auf der Autobahn stehen.<br />
Zusätzlich tuten wir alle paar Sekunden mit dem Typhon. An steuerbord und backbord<br />
passieren uns im Nebel schemenhaft die dicken Dampfer.<br />
Falls uns von denen einer auf die Hörner nimmt, sind <strong>bei</strong> ausgeklappten Booten, alle Mann<br />
zum Ausbooten mit Schwimmwesten in der höher gelegenen O-Messe versammelt. Nur die<br />
Wachen sind besetzt.<br />
Nach meiner Sicherheitsmeldung haut mich die englische Küstenfunkstelle „North Foreland<br />
Radio“ an, mit der Frage: „Ihre Position, <strong>bei</strong> uns hier in den englischen High Lands?“<br />
Ich ahne Schreckliches und schaue in die Seekarte. Nach meiner übermittelten Position liegt<br />
das Schiff tatsächlich in den englischen Bergen von Wales.<br />
Peinlich, peinlich. Ich belege den IV. Nautischen Offizier. Er hat mir in seiner Streßsituation<br />
statt der östlichen Länge ein „W“ hinter die Längenangabe geschrieben und damit den<br />
Dampfer im gepflegten Vorgarten von Rosamunde Pilcher ankern lassen.<br />
Das Schiff hat vor kurzem Greenwich-Null überquert. Nachdem die Nautiker wochenlang<br />
hinter den Längenangaben ein „W“ schrieben, gilt just kurz nach der Kollision ein „O“ bzw.<br />
im englischen ein „E“ hinter der Längenangabe.<br />
Ich übermittle auf Weisung meines Kapitäns unserem Kollisionspartner nach üblicher seemännischer<br />
Praxis die juristische Floskel, daß wir ihn für alle entstandenen Schäden und<br />
Folgeschäden haftbar machen: „I hold you responsible for all damages and all damages of<br />
result!“ Nahezu die gleiche Formulierung schickt mir sein Funkoffizier zehn Minuten später<br />
per Taste gleichfalls rüber.<br />
Im Namen meines Kapitäns bedanke ich mich <strong>bei</strong> V.S. TUBMAN für den geleisteten<br />
Beistand. Er dampft jetzt zurück nach Rotterdam. Dort legt er auch unseren Anker an die Pier,<br />
der bis dahin seine Außenhaut verzierte.<br />
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