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Interessantes zum Vertreiben der gähnenden Langeweile. Die nächsten 15 Minuten vergehen<br />
wie im Fluge mit den Erläuterungen, wie ein TGL-gerechtes „Stillgestanden“ auszusehen<br />
hat. Die richtige Handhabung dieser Körperhaltung ist nahezu der ausschlaggebendste<br />
Faktor für die Kampfkraft jeder Armee und für die Ausbildungsergebnisse an der Seeoffizierschule<br />
„Karl Liebknecht“ sowieso im ganz besonderen.<br />
Und wir stehen stillgestanden, die denkbar ungünstigste Körperhaltung, für ein jetzt angebrachtes<br />
Nickerchen.<br />
Die Daten unserer Rückennummer sind längst erfaßt. Fürs erste fliegen wir raus, bekommen<br />
aber am Montag einen Termin für Mittwoch, zur weiteren Erörterung dieses besonderen<br />
Vorkommnisses vor einem größeren Gremium.<br />
Während der ersten <strong>bei</strong>den Unterrichtsstunden am Dienstag steht Politvorlesung auf dem<br />
Stundenplan.<br />
Lehroffizier ist Kapitänleutnant Felkepräger, jener Offizier vom Dienst, der uns am Sonnabendabend<br />
zum Landgangsende so freundlich in ‘die Objekt’ empfing und uns mit aufopferungsvoller<br />
Hingabe auf unser Fehlverhalten aufmerksam machte.<br />
Seine monotone Stimme hat sich seit Sonnabend nicht geändert, mit der er während seiner<br />
Vorlesung die Heldentaten Marx, Engels und Lenins lobpreist. Kapitänleutnant Felkepräger<br />
belegt den Lehrstuhl Marxismus-Leninismus.<br />
Jochen vertreibt sich in der ersten Bank die schon wieder aufkommende Langeweile durch<br />
das Studium der Heldentaten der Digedags in der neuen „Mosa“, dem führenden Cartoon -<br />
„Magazin“ der DDR.<br />
Beim Studium dieser falschen Fetische wird er ertappt: „Wir kennen uns doch“, bemerkt der<br />
Polit-Wissenschaftler. „Jawohl Genosse Kapitänleutnant. Für morgen haben wir einen Termin<br />
zum weiteren Kennenlernen.“<br />
Wir drei haben Termin.<br />
Mindestens fünfzigtausend Mark Gehalt sitzen wieder im Präsidium. Wir drei<br />
Wochenendlandgänger stehen „stillgestanden“ davor. Ziemlich lange.<br />
Werner Sander und mir werden sechs Tage „Dicken“ angedroht. Ich bitte darum. Das kommt<br />
nicht gut an.<br />
„Aber dadurch werden sie noch verbitterter“, konstatiert ein Menschenkenner mit einem<br />
ganzen Sternenhimmel auf den geflochtenen Schulterstücken.<br />
Jochen wird eine heftige Mißbilligung ausgesprochen.<br />
„Obermaat Flegel, Obermaat Sander, sie werden wegen aufsässigen Verhaltens degradiert“<br />
lautet schließlich das mich niederschmetternde Urteil.<br />
„Ich diene der Deutschen Demokratischen Republik“ antworte ich und knalle die Hacken<br />
zusammen. „Ich diene der Deutschen Demokratischen Republik“ sagt der gebildete NVA-<br />
Soldat aber nur <strong>bei</strong> Auszeichnungen, nicht <strong>bei</strong> seiner Degradierung.<br />
Da habe ich etwas verwechselt, aber im Schulungsunterricht <strong>bei</strong>m Spieß haben wir das<br />
Stoffgebiet auch noch nicht gehabt.<br />
Werner Sander bittet die Fünfzigtausend Mark Gehalt im Präsidium, wie ein Mensch, und<br />
nicht wie ein Offiziersschüler behandelt zu werden. Das findet dort überhaupt keinen<br />
Anklang und zieht ziemlich lange Erläuterungen nach sich, über den angeblich keinesfalls<br />
bestehenden Unterschied zwischen Menschen und Offiziersschülern.<br />
Und wir stehen stillgestanden, die denkbar ungünstigste Körperhaltung für ein jetzt angebrachtes<br />
Nickerchen.<br />
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