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her. Männlein wie Weiblein tragen die gleiche blaue wattierte Kleidung, die gleiche blaue<br />

Mütze mit dem roten Stern als Kokarde und den gleichen blechernen Essennapf mit dem<br />

roten Stern am Boden. Alle vier Stunden wird in eben diese Näpfe heißer Jasmin-Tee ausgegeben<br />

und pro Schicht eine Kelle gekochter Reis, ohne was.<br />

Es ist Ende Januar und in Shanghai ist es schuppig kalt.<br />

Alle vier Stunden zur ‘tea-time’ ist auch innerbetriebliche Wettbewerbsauswertung. Die<br />

Ladeluke, die tonnenmäßig die Nase vorn hat, bekommt dann einen Wimpel mit rotem Stern<br />

an das Lukensüll gestellt, zum für jedermann sichtbaren Zeichen, daß hier die letzten vier<br />

Stunden Nachahmenswertes geleistet wurde. Komischerweise klotzen dann die blauen<br />

Ameisen in den ‘looser-teams’ ganz mächtig ran, um für die nächsten vier Stunden die<br />

begehrenswerte Trophäe an sich zu reißen.<br />

Das Schiff liegt mit Steuerbordseite an der Pier. Meine Kammer liegt auch an steuerbord,<br />

unterhalb des Brückendecks. An der Pier steht eine RFT-Lautsprechersäule genau in Höhe<br />

meiner Kemenate. „Wah“, heißt Achtung, oder so, auf chinesisch. Das weiß ich von der<br />

Lautsprechersäule. Jedenfalls leitet diese alle vier Stunden mit diesem Schlachtruf die Auswertung<br />

des innerbetrieblichen Wettbewerbs der Salzeinsacker ein, verbunden mit der<br />

kostenlosen Ausgabe des grünlich schimmernden heißen Trinkwassers, das als Tee zu<br />

betrachten ist. Das „Wah“ reißt mich früh um 04.00 Uhr in der Koje jedesmal in die Senkrechte.<br />

Danach werden uns Steuerbordbewohner 20 Minuten bestes Chinesisch mit 130 Dezibel aus<br />

3 Meter Abstand an das gepflegte Mittelohr gelegt. Das ist ätzend. So empfinden das auch<br />

meine an steuerbord wohnenden und schlafenden Leidensgenossen im Brückenaufbau.<br />

Wir gründen eine Selbsthilfegruppe von Luftgewehr-Scharfschützen.<br />

Der diensthabende Schütze liegt in Deckung auf den Grätings der Brückennock und visiert<br />

durch die leicht geöffnete Klappe der Steuerbord-Seitenlaterne. Schließlich gelingt ein Blattschuß<br />

auf ein dünnadriges freiliegendes Zuleitungskabel. Achtzehn angenehme Grad<br />

Kammertemperatur und kein „Wah“ um 20.00 Uhr, keine Störung im ersten Tiefschlaf um<br />

24.00 Uhr und auch um 04.00 Uhr wird durchgepennt. So schön kann das Leben sein.<br />

Die Salzberge vom Schütter in Dünkirchen haben sich auf dem langen Seeweg bis Shanghai<br />

ordentlich verhärtet. Unter der harten Kruste allerdings ist das Salz weicher.<br />

Die Löschmannschaften schaufeln in der Luke das Salz in Säcke. Füllen damit eine Netzbrook<br />

(ein großes Einkaufsnetz) und hieven die ca. 20 Säcke per schiffseigenem Geschirr an die Pier.<br />

Hier stehen in langer Schlange Handkarren. Vorn zieht ein Mädchen im blauen Watteanzug,<br />

blauer Mütze mit rotem Stern und schwarzhaarigem Bubischnitt zwischen zwei Deichseln,<br />

hinten schiebt die Kollegin im blauen Watteanzug, blauer Mütze mit rotem Stern und schwarzhaarigem<br />

Bubischnitt den mit je sechs Säcken beladenen Karren. Wir begegnen später<br />

diesen kleinen Logistikunternehmen zig-Kilometer weit vom Hafen entfernt in den Straßen<br />

von Shanghai.<br />

Später erzählt mir „Quärchen“ aus Shanghai kommend: „Sechsunddreißig Stunden brauchten<br />

die blauen Ameisen, dann waren zehntausend Tonnen Kalisalz aus Wismar in den Ladeluken<br />

in Säcke gefüllt und mit der Handkarre abtransportiert. Nach 36 Stunden liefen wir<br />

besenrein wieder aus.“<br />

Auf unserem Schiff graben die Lukenar<strong>bei</strong>ter tiefe Löcher in die verkrusteten Salzberge, um<br />

das weichere Salz unter der Kruste bequemer in die Säcke schaufeln zu können. Da<strong>bei</strong><br />

erwischt es gelegentlich den am vordersten Streckenvortrieb buddelnden Aktivisten. Meist<br />

gucken aber von diesen aus dem über ihn eingebrochenen Gebirge noch seine derben Ar<strong>bei</strong>tstiefel<br />

hervor. An diesem ziehen ihn dann rasch immer die Kollegen wieder hervor, achten<br />

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