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Ich kann nicht schlafen, in der Freiwache meine ich.<br />

Im Judentempel herrscht ein unglaublicher Rabatz. Wir schlafen nur wenige Meter über dem<br />

Propeller und, wie mir scheint, nur Zentimeter über dem Ruderquadranten.<br />

Das heißt, um das einmal auch Nichtseeleuten zu verdeutlichen, wenn „Kneppel“ oben auf<br />

der Brücke an seinem winzigen elektrischen Ruderrad dreht, bedient er damit nur einen<br />

elektrischen Schalter. Dieser setzt dann im Rudermaschinenraum, direkt unter meiner Koje<br />

also, einen kräftigen Mechanismus in betrieb, der das großflächige Ruderblatt nach Backbord<br />

oder nach Steuerbord und dann wieder nach Mittschiffs legt. „Kneppel“ ist natürlich<br />

genau so erpicht darauf, den Dampfer so übertrieben genau auf Kurs zu halten, wie ich<br />

vorher. D.h. er kurbelt so hektisch am Ruderrad und macht da<strong>bei</strong> mit dem direkt unter unserer<br />

Suite ar<strong>bei</strong>tenden Ruderquadranten so einen Rabatz, daß seine Kumpels von der Freiwache<br />

da hinten kein Auge zumachen. Der Propeller wütet natürlich auch noch recht ordentlich und<br />

der ist ja auch ganz nahe.<br />

Schließlich bestätigt sich die älteste Ritterregel: Der Mensch gewöhnt sich an alles!<br />

Zumal „Kneppel“, „Gebelchen“, „Titte“, ich und alle andern blutigen Neulinge auch längst<br />

nicht mehr so übertrieben emsig am Ruderrad kurbeln.<br />

Einen ‘Eisernen Gustav’ besitzt das Schiff noch nicht, wir halten „hand-made“ unseren Kurs.<br />

Der ‘Eiserne Gustav’ wäre die automatische Selbststeueranlage, die, wenn richtig eingesteuert,<br />

Schiffe und Flugzeuge <strong>bei</strong> jedem Wetter so exakt auf Kurs hält, wie es der eingefuchsteste<br />

Rudergänger oder Flugzeugkapitän nie brächte.<br />

Außer dem ‘Eisernen Gustav’ vermißt Dampfer THÄLMANN PIONIER ganz schmerzlich<br />

auch ein Radargerät.<br />

Ersatzweise werden daher <strong>bei</strong> schlechter Sicht Radaraugen vom Ausguck auf der Back verlangt.<br />

„Fahrzeug an Backbord einmal, Fahrzeug an Steuerbord zweimal und wenn du Mittschiffs<br />

was ausmachst, dreimal an die Glocke hauen“ weist mich mein Wachleiter diesbezüglich<br />

ein. Wenn er „glasen“ gesagt hätte, wäre das zwar fachgerechter gewesen, aber dann<br />

hätte ich es nicht verstanden.<br />

Ich stehe im englischen Kanal auf der Back und bimmle wie ein Weltmeister. Die Sicht ist<br />

nicht schlecht und somit taucht im befahrendsten Revier der Welt am Horizont ein Lichtpunkt<br />

nach dem anderen auf. Die Brückenbesatzung hat ihn auf Grund ihrer besseren Augeshöhe,<br />

ohnehin schon viel früher ausgemacht, als ich mit tränendem Auge im frostigen Fahrtwind<br />

des Januars.<br />

„Kommst du so jetzt vom Ausguck, in Halbschuhen und Jacket?“ haut mich Karl Lokenvitz,<br />

der Chiefmate am Niedergang an. Ab sofort bekommen wir Filzstiefel, Wattejacke, Ölzeug<br />

und Wachgänger (Pelzmantel).<br />

Die Biscaya bleibt ruhig. Claus Mohs weiß das schon früher, aus dem Seewetterbericht von<br />

Lands End Radio. Er tippt die ziemlich gammlige Morsehandschrift des Engländers ganz<br />

locker in die Schreibmaschine. Ich, als sein gegenwärtiger Praktikant während meiner<br />

90 Minuten-Funkwache, pinsle das englische Tempo 100 per Hand mit, obwohl ich in Wustrow<br />

sauber und maschinen-gegeben erst deutsche 80 kann. Demzufolge weiß ich auch nicht so<br />

ganz genau, welches Wetter uns in der Biscaya erwartet.<br />

Ushant ist der französische letzte Felsen und Kap Finisterre dann wieder der spanische erste,<br />

wenn man vom Norden kommend die Biscaya durchfährt.<br />

Die Biscaya hat ihr eigenes Flair.<br />

Später passiere ich dieses Seegebiet ein paar hundert Mal, immer mit Respekt.<br />

Nach zweimal vier Stunden Wache schart Ernesto täglich seine Truppe noch um sich. Schließlich<br />

kann er ja nicht ganz den „Passagier“ raushängen lassen, so wie der Politnik, der nun<br />

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