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von 140 Morsezeichen pro Minute. Das nennt man „Hören“. „Geben“ heißt, einen vorgelegten<br />
Text mit 125 Morsezeichen pro Minute zu senden. Fünf Minuten lang fehlerfrei. Das ist<br />
ordentlicher Streß. Ich hatte vor dieser Prüfung auch ganz mörderischen Muffengang. Den<br />
diesbezüglichen Prüfungsvorgang überwacht die Deutsche Post, Hpt.-Abteilung Seefunk.<br />
Diese gestrengen Herren zeigen sich im Gegensatz zum Lehrkörper der Schule völlig unbeeindruckt<br />
von Egons Mythos. Sie lassen ihn kalt durch die Prüfung rauschen.<br />
Allerdings wiederholt er diese dann nach ein paar Monaten irgendwie und wohl „unter vier<br />
Augen“. Den frisch gebackenen Schiffsoffizier Egon sägt dann aber die Schiffsleitung gleich<br />
auf seiner ersten Reise ab. Das diesem Blender vorauseilende Mythos nützt ihm nun auch<br />
hier nichts mehr, nachdem er für seine früheren Brotherrn dem MfS anscheinend nicht mehr<br />
von Interesse ist.<br />
Von old Egon abgesehen, sind wir ca. 100 „Seefahrt-Schaulers“ und der uns schlau machende<br />
Lehrkörper eine recht familiäre Truppe, Nautiker, Fischer und <strong>Funker</strong>. Das Betriebsklima<br />
an dieser Schule ist in Ordnung.<br />
Unsere Studienergebnisse unterliegen, wie auch die Ausbreitung der Funkwellen, sehr starken<br />
jahreszeitlichen Schwankungen. Das Ostseebad Wustrow schmort in der kalten Jahreszeit<br />
im eigenen Saft. Die wenigen mannbaren Maiden des Fischlandes können nicht durchgreifend<br />
die „Schaulers“ vom Büffeln abhalten. Schon wesentlich größeren ungünstigen<br />
Einfluß auf die Wissensanhäufung haben dagegen die in sechsunddreißiger Reihen einfallenden<br />
hübschen weiblichen Badegäste während der Sommermonate. Die Sachsenmädels<br />
fahren auf die kernigen Sprüche der angehenden Schiffsoffiziere total ab, auch wenn so<br />
mancher Sprücheklopfer noch kurz vorher den Bodden mit der Ostsee verwechselt hatte.<br />
Die uns natürlich bekannten Kellnerinnen der „Reuterschänke“, des „Fischlandkaffees“oder<br />
<strong>bei</strong> „Schröder Franz“ schmunzeln schon immer verschmitzt, wenn ich am Dienstag mit<br />
meinem blonden Kurschatten aus einem Seppelhosen-Portemonnaie die zwei Schoppen<br />
„Grauer Mönch“ für mein Mädel und die siebzehn Bier für mich bezahle. Nahezu die gleiche<br />
Zeche begleiche ich am Freitag abend für meine dunkelhaarige Begleitung aus einer<br />
niedlichen roten herzförmigen Geldbörse.<br />
Gleich im ersten Studentensommer mache ich einen gravierenden Fehler in der Pflege<br />
zwischenmenschlicher Beziehungen.<br />
Das erste Fischlandmädel, das ich nach dem Knapperwerden der Sommergäste in der Nachsaison<br />
im „Fischlandkaffee“ zum Tanze bitte, kommentiert mein Verhalten: „Na <strong>Felix</strong>, sind die<br />
Kurgäste wieder weg!?“<br />
In den zwei folgenden Sommern flechte ich immer auch ein Tänzchen mit den Dorfschönen<br />
der kleinen Fischlandgemeinde ein. Das zahlt sich während der Trockenperiode der kalten<br />
Jahreszeit aus.<br />
Andersartig ist der studentische Sommer nicht zu überstehen. Mein monatliches Stipendium<br />
beträgt 120,-DM. Davon behält die Bildungsstätte für Unterbringung und Vollverpflegung<br />
64,- DM ein.<br />
Die Kombüse der Seefahrtschule Wustrow ernährt uns voll-powernde junge Männer früh,<br />
mittags und abends täglich zu einem Verpflegungssatz von 2,20 DM. (Damals brachte ich<br />
73 studentische Kilogramm auf die Waage. Heute sind es 82 vorruheständliche.) Die kurioseste<br />
Variante der Zusatzversorgung entwickelt „Kneppel“. Er brät sich in einer Aluminium-<br />
Seifenschale ein Spiegelei auf dem Bügeleisen!<br />
Wenn die Paketpost Mutters Griebenschmalz anlieferte, zieren meine zwei Zimmergenossen<br />
und mich wieder eine Weile rote Pausbacken.<br />
Wir führen ein Studentenleben wie es sich gehört.<br />
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