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Die Kulturbeauftragte des „Club Rabotja“ postiert unterhalb der Bühne nun einen aus Sperrholz<br />
gesägten Storch mit hoch erhobenem Schnabel. So einen übergroßen Salzbrezelhalter.<br />
Dann wird zu diesem Vogel eine Distanz abgeschritten und markiert. Ab dieser Linie dürfen<br />
nun Interessierte versuchen, mit einem gezielten Wurf, den Vogel einen Bastring um den<br />
aufgereckten Hals zu werfen. Das ist schwierig. Wer diese Schwierigkeit meistert, wird für<br />
den Rest des Abends durch ein angeheftetes Abzeichen als Leistungssportler ausgewiesen,<br />
zu den alle ehrfurchtsvoll aufschauen können.<br />
Mich packt einer am Handgelenk und will mich von meiner mühsam behaupteten Sitzgelegenheit<br />
ziehen. Nataschenka zupft an mir. Sie kann nicht verstehen, wie ich mich diesem<br />
Gaudi versagen kann. Auf Grund ihrer Initiative werden wir gemeinsam an der Markierung<br />
postiert und ballern dem Holzvogel auch einige Ringe an Hals und Schnabel vor<strong>bei</strong>.<br />
Am Ende des schönen Festes spielen sich draußen auf der Straße und in den kalten Pfützen<br />
gräßliche Szenen zwischen Littauern und Russen ab.<br />
Nataschenka erklärt mir die Zusammenhänge.<br />
Hier wird mir zum erstenmal verdeutlicht, daß über den ethnisch so verschiedenen Volksgruppen<br />
unter der Knute der Sowjetmacht nicht ständig nur die Sonne scheint und jeder<br />
jeden nur küßt, wie die alten Herren im ZK.<br />
Als unserem Schiff dann aber über Nacht noch an die schwarze Bordwand mit weißer Ölfarbe<br />
ein Hakenkreuz gepinselt ward, verstehe ich das allerdings nicht.<br />
Kümo KOSEROW, ein wilder Höllenritt<br />
Am 10. Januar hat uns die Heimat wieder. Ich habe Weihnachten und Jahreswechsel wieder<br />
seemannsüblich über die Runden gebracht. Jetzt habe ich fünf Tage frei. Zwei davon verbraucht<br />
allerdings die Reichsbahn mit ihren Fahrplanverspätungen.<br />
Ich wohne <strong>bei</strong> Mutter’n.<br />
Am 15. Januar 1962 habe ich mich in Wismar auf dem Kümo KOSEROW einzufinden, besagt<br />
das handschriftliche Telegramm, daß mir per Fahrrad und ziemlich aufgeregt Frau Hanckel,<br />
die Postfrau meines Heimatdörfchens nach Hause bringt.<br />
Dieses Küstenmotorschiff soll Kapitän Düerkop und mich mit nach Antwerpen nehmen. Ich<br />
bekomme nun ein „eigenes“ Schiff, den Bananenjäger MS JOHN BRINCKMAN.<br />
Aber der Weg dorthin ist beschwerlich oder besser gesagt lebensgefährlich.<br />
Die Politökonomen der DDR und die Landeier der Reederei hatten inzwischen beschlossen,<br />
die anfallenden Kanalgebühren für eine Passage des Kiel-Kanals dem Klassenfeind in Gestalt<br />
der Bonner Ultras nicht mehr in den gierigen Rachen zu werfen.<br />
Ab diesem Beschluß wird generell durch Sund oder Belt um Skagen gefahren!<br />
Dieser Anordnung hat auch Kapitän Grosser mit seinem kleinen 500-Tonner, dem Küstenmotorschiff<br />
MS KOSEROW nachzukommen.<br />
Kapitän Düerkop schläft <strong>bei</strong>m Chiefmate, ich <strong>bei</strong>m Kapitän auf der Backskiste.<br />
Wir <strong>bei</strong>den haben es eilig, uns drückt der Übernahmetermin in Antwerpen.<br />
Ab Skagen empfängt uns die winterliche Nordsee mit einer Mordsbrise.<br />
Der Sturm bereitet die Nordsee auf, um drei Wochen später Hamburg zu überfluten.<br />
Es ist unverantwortlich, einen 500er Kümo in dieses Chaos hineinzuschicken. Das Schiff<br />
kämpft sechs Tage gegen diese Urgewalten und wird arg gezaust. Der Schiffszaun und der<br />
<strong>bei</strong>gelaschte Landgang sind zertrümmert, die Außenhaut hat Dellen. Der Kümo hat alle Außenschotten<br />
verriegelt und verrammelt und Panzerblenden vor den Bulleye‘s. Die im Brücken-<br />
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