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Ein besonderes Instrument spielen die Dampfschiffe, wenn sie noch mit Dampf und nicht mit<br />

Druckluft tuten. Dampftuten können den Ton nicht halten. Bei ihnen kommt <strong>bei</strong>m Ziehen an<br />

der Typhonleine als erstes statt Ton nur heißes Wasser, dem folgt dann im Wasserdampf<br />

nach einem Rülpsen ein tiefer Baß, der schnell in hochtönigere Oktaven anschwillt. Das ist<br />

sozusagen die blaue Mauritius unter den Schiffstuten.<br />

Nach dem vom THÄLMANN PIONIER die letzte verfügbare ‘unbrauchbare’ Rakete mit<br />

ihrem grellen roten Magnesiumlicht am Fallschirm baumelnd zu Wasser (und hoffentlich<br />

nicht auf ein Rohrdach) sinkt, lichten sich auch die Reihen in der O-Messe. Auf dem Schiff<br />

und im Hafen kehrt zunehmend Ruhe ein.<br />

Es wird langweilig.<br />

An Oberdeck kenne ich mittlerweile schon jede Niete des Schiffes. Die anfänglich stündlichen<br />

Besuchsintervalle <strong>bei</strong> der vereinsamten Milchkanne verkürzen sich etwas. Ich fische<br />

ein zig-Meter langes Tonband Hand über Hand aus der noch viertel vollen Kanne. Dann<br />

gründle ich mit der Kelle und hole sie gehäuft mit Ananas-Stücken herauf. Die Bowle seie ich<br />

ab und esse die Stücke auf. Diesen Vorgang wiederhole ich tournusgemäß, aber ich vermute,<br />

wesentlich öfter, als noch volle Stunden bis zum Wachschluß verbleiben. Wir schreiben<br />

1959, d.h. seit vier Stunden 1960, aber bis zu diesem Morgen, wußte ich doch noch nicht<br />

einmal wie Ananas geschrieben wird.<br />

So gegen 05.00 Uhr habe ich wohl nach und nach ein oder zwei Kilo des wohlschmeckenden<br />

Bodensatzes der Milchkanne verdrückt, aber zu meinem Leidwesen springen davon in<br />

ziemlich kurzen Intervallen wohl drei oder vier Kilo aus meinem Gesicht, immer über das<br />

Schanzkleid die Bordwand hinab.<br />

Die Bowle erweist sich jetzt als ziemlich vollmundig.<br />

Bei der Gelegenheit lerne ich die vorteilhaftere Eigenschaft der Leeseite des Schiffes kennen<br />

und die Luvseite diesbezüglich zu meiden. Später im aufgewühlten Ägäischen Meer kommt<br />

mir das hier erworbene Wissen zugute, seekrankheitsmäßig gesehen.<br />

Um 05.00 Uhr habe ich Herrn Pinkawa, den Koch zu wecken. Ich lege <strong>bei</strong>m Uulf-Rufen eine<br />

Pause ein und erledige das termingerecht. Der Koch hüpft aus seiner Koje, zieht in der<br />

Kombüse eine Kiste Kartoffeln unter dem Herd hervor, die muß ich schälen. Bis 05.30 Uhr<br />

schäle ich mit meiner Restenergie im Marine-Vierkantschnitt auch noch einige Tüften. Gegen<br />

05.15 Uhr haue ich verfrüht „Gebelchen“ eigentlich aus meiner Koje. Er hat sein Fischlandmädel<br />

da<strong>bei</strong> und braucht im ‘Judentempel’, in dem wir über dem Propeller und der Rudermaschine<br />

untergebracht sind, meine sturmfreie Kammer. Darin sind meine drei übrigen<br />

Mitschläfer nicht an Bord und ich haue mich, rechtschaffen schlafbedürftig irgendwo hin.<br />

Für diesen Liebesdienst muß „Gebelchen“ eine halbe Stunde früher ablösen und die dreiviertel<br />

volle Kiste Granaten abdrehen.<br />

Nach Neujahr wird es richtig betriebsam an Bord und in unseren Unterkünften beängstigend<br />

eng. Jetzt sind alle 16 Teilnehmer der Klassenfahrt vorhanden.<br />

Wir bewohnen die vier Viermannkammern im „Judentempel“. So heißt volksmund-seemännisch<br />

das kleine Deckshaus auf dem Achterdeck abgerundet, so wie das Heck des Dampfers.<br />

Somit haben die <strong>bei</strong>den Viermannkammern mit Blick nach achtern, die Form eines Tortenviertels.<br />

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