25.12.2013 Aufrufe

DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

4 Synthese: Grillparzers Frauenfiguren und<br />

die Gesellschaft der Biedermeierzeit<br />

Die detaillierte Auseinandersetzung mit den vier weiblichen Hauptfiguren Rahel, Hero,<br />

Mirza und Gülnare offenbart einige aufschlussreiche Parallelen in Franz Grillparzers Gestaltung<br />

seiner Frauenfiguren, verdeutlicht zugleich aber auch, dass er seine weiblichen Charaktere<br />

nicht nach einem starren Schema entwirft, sondern beständig weiterentwickelt. Diese Tatsache<br />

gewinnt angesichts der historischen Realität der Biedermeierzeit besonderes Gewicht.<br />

Die Restauration der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war von konservativer Politik im Sinne<br />

Metternichs geprägt und basierte mit dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB)<br />

von 1811 auf einer rechtlichen Grundlage, die in der Frage der Gleichberechtigung der Frau<br />

deutlich konservativ ausgerichtet war und damit die patriarchalen Machtstrukturen perpetuierte.<br />

Ob als Tochter oder Ehefrau, die Frau der Biedermeierzeit war zeitlebens eine Abhängige.<br />

Gegen diese gesellschaftlichen Strukturen lehnten sich die Frauen erst sehr langsam auf.<br />

Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts organisierten sich vor allem adelige Damen in Wohltätigkeitsvereinen,<br />

die eine bessere Ausbildung von Mädchen anstrebten. Erst im Zuge der Revolution<br />

1848 entstand mit dem <strong>Wien</strong>er Demokratischen Frauenverein die erste Vereinigung,<br />

die die gesellschaftliche und politische Gleichstellung der Frau mit Nachdruck verfolgte. Allerdings<br />

wurde diese Organisation nach knapp dreimonatigem Bestehen aufgelöst. Seit 1867<br />

war es Frauen sogar wieder ausdrücklich untersagt, einem politischen Verein anzugehören.<br />

Somit waren politische Mitbestimmung, rechtliche Absicherung und gesellschaftliche Gleichstellung<br />

<strong>für</strong> die Frau der Biedermeierzeit und noch viele Jahrzehnte danach wieder in weite<br />

Ferne gerückt. Erst 1918 gelang es Adelheid Popp und Marianne Hainisch, das seit Jahrzehnten<br />

erklärte Ziel der Frauenbewegung erreichen: das Wahlrecht <strong>für</strong> Frauen.<br />

Die drei <strong>für</strong> diese Arbeit untersuchten Dramen thematisieren in verschiedenen Facetten<br />

die Vielfalt der Unterdrückungsmechanismen, mit denen die Frau in der Gesellschaft des<br />

Biedermeier konfrontiert war. Grundsätzlich lässt sich nach der Analyse von Der Traum ein<br />

Leben, Des Meeres und der Liebe Wellen sowie Der Jüdin von Toledo festhalten, dass Grillparzer<br />

seinen Frauenfiguren in allen diesen drei Texten eine auffallend hohe Bedeutung zumisst.<br />

Denn Gülnare, Hero und Rahel stellen jeweils den Mittelpunkt der Handlung dar und<br />

gleichen einander dabei in facettenreicher, tiefgehender Gestaltung abseits jeder typenhaften<br />

Darstellung. Mit diesen drei Frauenfiguren widerlegt Grillparzer zugleich all jene Behauptungen,<br />

die ihn als sensitiven, psychologisierenden Frauenkenner abzustempeln versuchten:<br />

Grillparzer zeichnet nicht in einfühlsamer Weise frustrierte Frauen nach, sondern er charakte-<br />

- 103 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!