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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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zielt um Rustans Gunst wirbt, um einen (vermeintlich) tatkräftigen Mann an ihrer Seite zu<br />

wissen. Eine gegenteilige Ansicht zu Gülnares „Schwäche“ vertritt Dagmar C. G. Lorenz. Sie<br />

erklärt Gülnares Schutzansuchen als Zeichen der Verwundbarkeit. Als weitere Beispiele dienen<br />

Lorenz in diesem Zusammenhang Medea und Libussa: „Isolation und Mangel an realem<br />

Rückhalt motivieren die Verwundbarkeit gerade der weiblichen Ausnahmegestalt, die sich in<br />

Momenten der Schwäche nach Unauffälligkeit sehnt […].“ 118 Anders verhält es sich freilich<br />

bei Gülnare: Ihr gelingt es einerseits, in Momenten der Schwäche rasch die Kontrolle über<br />

ihre Gefühle wiederzufinden, andererseits ist sie dazu in der Lage, ihre Emotionen berechnend<br />

einzusetzen. 119 Grillparzer zeichnet die Figur der Gülnare als starke und selbstbewusste<br />

Frau, die über zwei <strong>für</strong> die Biedermeierzeit äußerst untypische Eigenschaften verfügt: Sie<br />

besitzt Machtbewusstsein und Selbstreflexivität.<br />

3.1.2 Stellung im patriarchalen Gesellschaftsgefüge<br />

a) Mirza<br />

Innerhalb des patriarchalen Gesellschaftsgefüges verkörpert Mirza die idealtypische<br />

biedermeierliche Tochter einer bürgerlichen Familie. Ihre Positionierung entspricht dem konservativen<br />

Bild der fremdbestimmten Frau, die gänzlich vom Willen eines Mannes abhängig<br />

ist. Massud bildet in Mirzas Kosmos das Zentrum der patriarchalen Gewalt.<br />

Besonders deutlich wird dies in der Schlussszene, als Mirza um das väterliche Einverständnis<br />

<strong>für</strong> die Hochzeit mit Rustan fleht. Der pater familias bestimmt über das Wohl seiner<br />

Tochter in ähnlicher Weise wie über das seines Sklaven. Zunächst muss Rustan um die Freilassung<br />

des Sklaven Zanga bitten. In diesem Dialog nennt er seinen Onkel Massud als Zeichen<br />

des Respekts vor seiner Machtposition als pater familias sogar „Vater“:<br />

RUSTAN Dann gib dem Versucher dort,<br />

Ihm, vor dem gewarnt die Sterne,<br />

Gib die Freiheit ihm, gib Gold,<br />

Laß ihn ziehn in alle Ferne!<br />

ZANGA Herr!<br />

RUSTAN zu Zanga:<br />

Ich wills! – Ich bitte, Vater!<br />

MASSUD Du begegnest meinen Wünschen.<br />

Zu Zanga:<br />

Ziehe hin, denn du bist frei!<br />

Nimm dir eins der beiden Pferde.<br />

118 Lorenz, Dagmar C. G.: Frau und Weiblichkeit bei Grillparzer, S. 207.<br />

119 Heinz Politzers Charakterisierung Gülnares als „mythisch Unberührbare“ oder als „Megäre“ verfehlen ebenso<br />

ihr Ziel wie die von ihm unkritisch referierte Analyse ihres Charakters als „Hysterikerin“ und die Information,<br />

dass „Grillparzer sie, zumindest in den Vorarbeiten, als frigid charakterisiert“ hat. Vgl. Politzer, Heinz: Franz<br />

Grillparzer oder das abgründige Biedermeier, S. 244-245.<br />

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