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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Dennoch eröffnet Grillparzer in seinem Drama keine positive Perspektive. Hero scheitert an<br />

den patriarchalen Limitierungen, denen sie ausgeliefert ist. Die Verzweiflung zum Tode, die<br />

Hero an Leanders Leichenbahre ergreift, ist nicht nur in der Trauer um den Geliebten begründet.<br />

Zugleich erkennt Hero, dass sie dem repressiven patriarchalen System aus Machtausübung<br />

und Kontrolle nur durch ihren Tod entgehen kann. Ihre verzweifelte Klage „Nie wieder<br />

dich zu sehn, im Leben nie!“ (HKA, S. 91, V. 2058) kann einerseits auf den bevorstehenden<br />

Abschied vom Toten bezogen werden, andererseits als Wiederholung einer priesterlichen<br />

Verhaltensregel: Seit Beginn der Liebschaft war Hero klar, dass sie Leander gemäß der religiösen<br />

Konventionen niemals wieder sehen dürfe:<br />

HERO zur Bahre tretend:<br />

Nie wieder dich zu sehn, im Leben nie!<br />

Der du einhergingst im Gewand der Nacht<br />

Und Licht mir strahltest in die dunkle Seele,<br />

Aufblühen machtest all was hold und gut;<br />

Du fort von hier an einsam dunklen Ort<br />

Und nimmer sieht mein lechzend Aug dich wieder.<br />

Der Tag wird kommen und die stille Nacht,<br />

Der Lenz, der Herbst, des langen Sommers Freuden,<br />

Du aber nie. Leander, hörst du? nie!<br />

Nie, nimmer, nimmer nie!<br />

Sich an der Bahre niederwerfend<br />

und das Haupt in die Kissen verbergend. (HKA, S. 91, V. 2058-2067)<br />

Einzig Heros Dienerin Janthe bietet mit ihrer finalen Anklage des Priester-Onkels dem Schuldigen<br />

die Stirn. 169 Mit ihrem Abschied aus dem Haus des Oberpriesters und der Rückkehr zu<br />

ihrer Familie entscheidet sie sich aus der Sicht einer nach Emanzipation strebenden Frau <strong>für</strong><br />

das kleinere Übel: „Ich kehre heim zu meiner Eltern Herd […] / Mich duldets länger nicht in<br />

eurem Hause.“ (HKA, S. 92, V. 2114 und V. 2117). Die Zwänge in Ehe und Elternhaus mögen<br />

unangenehm sein, doch die Kombination aus religiösem Wahn und patriarchaler Machtausübung<br />

ist noch gefährlicher: Sie wirkt tödlich.<br />

Grillparzer lässt Hero in ihrem Bedürfnis nach einem selbstbestimmten Leben scheitern,<br />

zugleich relativiert er mit Janthes finaler Rückkehr ins Elternhaus auch seine Kritik an<br />

der bestehenden Gesellschaftsordnung. Grillparzer thematisiert anhand seiner Hero zwar den<br />

repressiven bürgerlich-patriarchalen Umgang mit Weiblichkeit, doch findet auch er aus dem<br />

Zwiespalt zwischen weiblichem Autonomieverlangen und den gesellschaftlichen Zwängen<br />

keinen gangbaren Ausweg.<br />

169 Die Figur der Janthe zeigt gewisse Parallelen zu Esther, der Halbschwester Rahels aus Die Jüdin von Toledo.<br />

Beide weiblichen Nebenfiguren stehen in einem Nahverhältnis zu der verstorbenen Heldin, beiden legt Grillparzer<br />

ein moralisierendes Schlusswort in den Mund.<br />

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