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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Vater und Onkel beschlossene Ausbildung Heros zur Priesterin auf Sestos befreit sie zwar aus<br />

der Unterdrückung im Elternhaus, doch der Repression ihrer Weiblichkeit ist Hero auf Sestos<br />

in doppelter Weise ausgesetzt. Denn die Mechanismen männlicher Macht werden auf der Insel<br />

durch die strengen Vorgaben der religiösen Kulthandlungen verstärkt. Die Liebe zu Leander<br />

zeigt ihr diese eng gesteckten Grenzen des Priestertums auf. Freilich kann die Liebe zwischen<br />

Hero und Leander innerhalb dieser Gesellschaftsordnung nicht gelingen – da<strong>für</strong> sind<br />

die Strategien zur Unterdrückung weiblichen Autonomieverlangens zu vielfältig: Der Onkel<br />

setzt sein Machtmonopol als Oberpriester geschickt ein. Er bedroht Verfehlungen im religiösen<br />

Dienst mit strengen Strafen und verfügt er über einen Machtapparat, dessen er sich ausschließlich<br />

zum eigenen Vorteil bedient. Diesem verdichteten System patriarchaler Gewalt<br />

und engmaschiger Kontrolle, das einzig auf männlichen Machterhalt ausgerichtet ist, kann<br />

Hero nicht gewachsen sein: Der Tod bleibt ihr einziger Ausweg.<br />

Die von Grillparzer vorgenommene Positionierung Heros als Priesterin kann als Zeichen<br />

der kritischen Auseinandersetzung mit den herrschenden Machtverhältnissen seiner Lebenszeit<br />

– einschließlich des Katholizismus – gelesen werden. Hero dringt mit ihrer Teilhabe<br />

an der Regelung der Religionsausübung in eine hermetische Männerdomäne vor. Als Priesterin<br />

verfügt sie über eine gewisse Macht – auch über Männer. Doch trotz dieser progressiven<br />

Signalwirkung bleibt Hero letztlich ungefährlich: Der Oberpriester lässt nie davon ab, Hero zu<br />

kontrollieren und zu beeinflussen. Als sie gefährlich zu werden droht, stirbt sie.<br />

Grillparzer zeigt den Zwiespalt zwischen weiblichem Autonomieverlangen und den<br />

beengenden äußeren Umständen, der in der Biedermeierzeit deutlich spürbar wurde. Seine<br />

Heldin Hero, die gefühlsbetont agiert und zugleich versucht, den Männern die Stirn zu bieten,<br />

unterliegt im Ringen um weibliche Selbstbestimmtheit: Grillparzer bietet seiner Frauenfigur<br />

zum Arrangement mit der umfassenden Machtfülle des patriarchalen Herrschaftssystems keine<br />

Alternative.<br />

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